Die Blockchain könnte große Teile des Finanzwesens revolutionieren - als Teil einer unaufhaltsamen Digitalisierung. Wo sich das Prinzip der dezentralen Register am Ende durchsetzt, ist noch offen. Fest steht nur: Diese Technologie hat Potenzial.
Ist die Fracht schon in den Container geladen? Hat sie die Zollbehörde passiert? Hat das Schiff den Hafen vielleicht schon verlassen? Waren per Schiff zu transportieren bringt viel Bürokratie mit sich, Dutzende oder gar Hunderte Einzelschritte sind zu dokumentieren. Und bisher geschieht vieles davon auf Papier.
Das ist teuer, erschwert die Übersicht und kann den Transport verzögern - und kann besonders ärgerlich bei verderblichen Waren werden. Doch damit könnte bald Schluss sein: Inzwischen werden Verfahren getestet, bei denen alle Beteiligten jederzeit auf dem gleichen Stand sind und genau wissen, welche Stationen der Container schon durchlaufen hat, welche Genehmigungen vorliegen und was noch aussteht. Möglich macht es die Blockchain-Technologie.
Bekannt geworden ist sie als technische Basis der Kryptowährung Bitcoin, über deren Höhenflug gerade viel diskutiert wird. Doch die Blockchain steht zu Unrecht im Schatten von Bitcoin - die digitale Währung ist nur eine von vielen möglichen Anwendungen für die Technologie. Der "Economist" hat ihr Aufkommen unlängst sogar mit der Erfindung der doppelten Buchführung vor 500 Jahren verglichen.
Es stellt sich die Frage: Hat die Blockchain wirklich dieselbe historische Dimension?
Sie hat auf jeden Fall das Potenzial, vieles zu verändern, auch in der Welt der Finanzdienstleistungen: die Geschäftsmodelle von Banken genauso wie die ihrer Kunden aus den verschiedensten Branchen. Als Ingenieurin, die einst bei Boeing und Ford gearbeitet hat, war ich immer fasziniert von den ausgefeilten Produktionsprozessen in der Industrie. Dank der Blockchain könnten die Banken nun in dieser Hinsicht aufholen. Noch sind sich die Tech- und Finanzexperten allerdings nicht einig, wie viel tatsächlich in der Blockchain steckt. Die Test- und Probierphase ist in vollem Gange.
Die Blockchain ist eine Form der Technologie des dezentralen Transaktionsregisters; im Englischen spricht man von "Distributed Ledger Technology" oder kurz DLT. Einfach gesagt ist die Blockchain ein digitales Buchführungssystem, das ohne zentrales Register auskommt. Das Besondere: Obwohl an dieser dezentralen Buchführung viele Parteien beteiligt sind, wird ein Konsens über die richtigen Einträge erreicht. Datensätze, zum Beispiel Transaktionen, werden als Blöcke in ein digitales Register eingetragen, wenn die Teilnehmer sich darüber einig sind. Die Blöcke haben einen Zeitstempel, enthalten alle für die Transaktionen wichtigen Daten und werden miteinander verknüpft.
Was erst einmal sperrig klingt, könnte in so manchen Lebensbereichen Vorteile bringen - im Prinzip überall dort, wo Listen oder Verzeichnisse geführt und ständig aktualisiert werden müssen. Zum Beispiel in der Logistikbranche, aber auch im Finanzsektor. Schließlich ist eine Bank in ihrem Inneren vor allem eine Ansammlung von Listen, Verzeichnissen und Konten.
Was sind nun die möglichen Vorteile der Blockchain-Technologie aus Sicht einer Bank?
Zunächst einmal vereinfacht sie den laufenden Betrieb, indem sie zum Beispiel den Abgleich von Positionen und Konten automatisiert. Sie macht zweitens das Clearing und die Abwicklung (Settlement) deutlich schneller und vermeidet nachträgliche Korrekturen. Die hohe Transparenz hilft einer Bank auch dabei, regulatorische Anforderungen effizienter zu erfüllen. Drittens senkt die neue Technologie das Risiko, dass ein Geschäftspartner seine Verpflichtungen nicht oder unzureichend erfüllt; die Bedingungen eines Geschäfts sind transparent und unveränderlich festgeschrieben.
Damit sinkt – viertens – auch das Betrugsrisiko, denn das dezentrale Register speichert die gesamte Historie eines Geschäfts und die Herkunft der gehandelten Vermögensgegenstände.
Fünftens: Die Technologie spart auch Kosten, weil manche Zwischenschritte und Umwege entfallen, wenn alle Parteien mit einem gemeinsamen Register arbeiten.
Banken könnten folglich die Vorteile der Blockchain in vielen Bereichen nutzen – zum Beispiel im Wertpapierhandel, bei der Handelsfinanzierung sowie im Beratungs- und Finanzierungsgeschäft, etwa bei syndizierten Krediten und der Emission von Anleihen. Allerdings eignen sich für Banken nur private dezentrale Register, bei denen die Teilnehmer untereinander bekannt sind – die sogenannten "Permissioned Ledger". Denn Banken müssen ihre Kunden genau kennen und deren Daten schützen. Bei öffentlichen Registern sind die Teilnehmer dagegen anonym – wie etwa bei Bitcoin.
Während die Erwartungen an die Blockchain-Technologie (DLT) stetig wachsen, spielt sie in der Praxis immer noch eine geringe Rolle. Derzeit wird noch viel getestet, so auch bei der Deutschen Bank. Zwar rechnen unsere Experten damit, dass die ersten Anwendungen in der Finanzbranche schon im kommenden Jahr eingeführt werden können. Für die meisten von ihnen wird die Pilotphase allerdings eher noch Jahre dauern als Monate. Der Hauptgrund ist: Banken müssen strenge Auflagen von Aufsichtsbehörden und Gesetzgebern erfüllen – und das ist auch gut so. Eine Bank muss Datenschutzgesetze einhalten, ihre Systeme und die Technologien müssen auch in Stressphasen jederzeit funktionieren.
Diese hohen Anforderungen sind einer der Gründe, weshalb Banken bei der Entwicklung dezentraler Transaktionsregister eng zusammenarbeiten. So ist die Deutsche Bank derzeit in mehreren Konsortien vertreten.
Im Projekt "Utility Settlement Coin" kombinieren wir zum Beispiel die Vorteile von digitalen und herkömmlichen Währungen, damit Transaktionen mittels Blockchain reibungslos laufen - zunächst zwischen Banken und später auch mit Unternehmen. Und als eines der Gründungsmitglieder des Gemeinschaftsunternehmens "we.trade", ehemals "Digital Trade Chain", arbeiten wir zusammen mit anderen europäischen Banken daran, den inländischen und grenzüberschreitenden Handel für kleine und mittelgroße Unternehmen deutlich zu vereinfachen.
Die Digitalisierung ist die größte Revolution für die Finanzbranche.
Trotz dieses Potenzials hat die Blockchain aber auch ihre Grenzen. Sie ist nicht die Antwort auf alle Zukunftsfragen des Bankgeschäfts. Für uns ist die Blockchain-Technologie nur einer von vielen digitalen Trends, die ganze Industrien auf den Kopf stellen und den Wandel beschleunigen. Künstliche Intelligenz, Cloud-Technologie, das Internet der Dinge, offene Programmierschnittstellen zu externen Entwicklern und zu Fintechs - all diese Dinge beschäftigen uns ebenfalls.
Die Digitalisierung ist die größte Revolution für die Finanzbranche, seit Girokonten nicht mehr auf Papier geführt werden. Wenn wir sagen, dass Häuser wie die Deutsche Bank zu Technologieunternehmen werden müssen, dann ist das keine Phrase. Alles ist in Bewegung - wie die Finanzwelt in zehn Jahren aussehen wird, lässt sich nicht mehr verlässlich vorhersagen. Sicher ist nur: Dazugehören wird dann nur noch, wer sein Geschäft erfolgreich digitalisiert hat. Und die Blockchain ist einer der Bausteine dafür.
Die Blockchain könnte große Teile des Finanzwesens revolutionieren - als Teil einer unaufhaltsamen Digitalisierung. Wo sich das Prinzip der dezentralen Register am Ende durchsetzt, ist noch offen. Fest steht nur: Diese Technologie hat Potenzial.
Das ist teuer, erschwert die Übersicht und kann den Transport verzögern - und kann besonders ärgerlich bei verderblichen Waren werden. Doch damit könnte bald Schluss sein: Inzwischen werden Verfahren getestet, bei denen alle Beteiligten jederzeit auf dem gleichen Stand sind und genau wissen, welche Stationen der Container schon durchlaufen hat, welche Genehmigungen vorliegen und was noch aussteht. Möglich macht es die Blockchain-Technologie.
Bekannt geworden ist sie als technische Basis der Kryptowährung Bitcoin, über deren Höhenflug gerade viel diskutiert wird. Doch die Blockchain steht zu Unrecht im Schatten von Bitcoin - die digitale Währung ist nur eine von vielen möglichen Anwendungen für die Technologie. Der "Economist" hat ihr Aufkommen unlängst sogar mit der Erfindung der doppelten Buchführung vor 500 Jahren verglichen.
Es stellt sich die Frage: Hat die Blockchain wirklich dieselbe historische Dimension?
Sie hat auf jeden Fall das Potenzial, vieles zu verändern, auch in der Welt der Finanzdienstleistungen: die Geschäftsmodelle von Banken genauso wie die ihrer Kunden aus den verschiedensten Branchen. Als Ingenieurin, die einst bei Boeing und Ford gearbeitet hat, war ich immer fasziniert von den ausgefeilten Produktionsprozessen in der Industrie. Dank der Blockchain könnten die Banken nun in dieser Hinsicht aufholen. Noch sind sich die Tech- und Finanzexperten allerdings nicht einig, wie viel tatsächlich in der Blockchain steckt. Die Test- und Probierphase ist in vollem Gange.
Die Blockchain ist eine Form der Technologie des dezentralen Transaktionsregisters; im Englischen spricht man von "Distributed Ledger Technology" oder kurz DLT. Einfach gesagt ist die Blockchain ein digitales Buchführungssystem, das ohne zentrales Register auskommt. Das Besondere: Obwohl an dieser dezentralen Buchführung viele Parteien beteiligt sind, wird ein Konsens über die richtigen Einträge erreicht. Datensätze, zum Beispiel Transaktionen, werden als Blöcke in ein digitales Register eingetragen, wenn die Teilnehmer sich darüber einig sind. Die Blöcke haben einen Zeitstempel, enthalten alle für die Transaktionen wichtigen Daten und werden miteinander verknüpft.
Was erst einmal sperrig klingt, könnte in so manchen Lebensbereichen Vorteile bringen - im Prinzip überall dort, wo Listen oder Verzeichnisse geführt und ständig aktualisiert werden müssen. Zum Beispiel in der Logistikbranche, aber auch im Finanzsektor. Schließlich ist eine Bank in ihrem Inneren vor allem eine Ansammlung von Listen, Verzeichnissen und Konten.
Was sind nun die möglichen Vorteile der Blockchain-Technologie aus Sicht einer Bank?
Zunächst einmal vereinfacht sie den laufenden Betrieb, indem sie zum Beispiel den Abgleich von Positionen und Konten automatisiert. Sie macht zweitens das Clearing und die Abwicklung (Settlement) deutlich schneller und vermeidet nachträgliche Korrekturen. Die hohe Transparenz hilft einer Bank auch dabei, regulatorische Anforderungen effizienter zu erfüllen. Drittens senkt die neue Technologie das Risiko, dass ein Geschäftspartner seine Verpflichtungen nicht oder unzureichend erfüllt; die Bedingungen eines Geschäfts sind transparent und unveränderlich festgeschrieben.
Damit sinkt – viertens – auch das Betrugsrisiko, denn das dezentrale Register speichert die gesamte Historie eines Geschäfts und die Herkunft der gehandelten Vermögensgegenstände.
Fünftens: Die Technologie spart auch Kosten, weil manche Zwischenschritte und Umwege entfallen, wenn alle Parteien mit einem gemeinsamen Register arbeiten.
Banken könnten folglich die Vorteile der Blockchain in vielen Bereichen nutzen – zum Beispiel im Wertpapierhandel, bei der Handelsfinanzierung sowie im Beratungs- und Finanzierungsgeschäft, etwa bei syndizierten Krediten und der Emission von Anleihen. Allerdings eignen sich für Banken nur private dezentrale Register, bei denen die Teilnehmer untereinander bekannt sind – die sogenannten "Permissioned Ledger". Denn Banken müssen ihre Kunden genau kennen und deren Daten schützen. Bei öffentlichen Registern sind die Teilnehmer dagegen anonym – wie etwa bei Bitcoin.
Während die Erwartungen an die Blockchain-Technologie (DLT) stetig wachsen, spielt sie in der Praxis immer noch eine geringe Rolle. Derzeit wird noch viel getestet, so auch bei der Deutschen Bank. Zwar rechnen unsere Experten damit, dass die ersten Anwendungen in der Finanzbranche schon im kommenden Jahr eingeführt werden können. Für die meisten von ihnen wird die Pilotphase allerdings eher noch Jahre dauern als Monate. Der Hauptgrund ist: Banken müssen strenge Auflagen von Aufsichtsbehörden und Gesetzgebern erfüllen – und das ist auch gut so. Eine Bank muss Datenschutzgesetze einhalten, ihre Systeme und die Technologien müssen auch in Stressphasen jederzeit funktionieren.
Diese hohen Anforderungen sind einer der Gründe, weshalb Banken bei der Entwicklung dezentraler Transaktionsregister eng zusammenarbeiten. So ist die Deutsche Bank derzeit in mehreren Konsortien vertreten.
Im Projekt "Utility Settlement Coin" kombinieren wir zum Beispiel die Vorteile von digitalen und herkömmlichen Währungen, damit Transaktionen mittels Blockchain reibungslos laufen - zunächst zwischen Banken und später auch mit Unternehmen. Und als eines der Gründungsmitglieder des Gemeinschaftsunternehmens "we.trade", ehemals "Digital Trade Chain", arbeiten wir zusammen mit anderen europäischen Banken daran, den inländischen und grenzüberschreitenden Handel für kleine und mittelgroße Unternehmen deutlich zu vereinfachen.
Trotz dieses Potenzials hat die Blockchain aber auch ihre Grenzen. Sie ist nicht die Antwort auf alle Zukunftsfragen des Bankgeschäfts. Für uns ist die Blockchain-Technologie nur einer von vielen digitalen Trends, die ganze Industrien auf den Kopf stellen und den Wandel beschleunigen. Künstliche Intelligenz, Cloud-Technologie, das Internet der Dinge, offene Programmierschnittstellen zu externen Entwicklern und zu Fintechs - all diese Dinge beschäftigen uns ebenfalls.
Die Digitalisierung ist die größte Revolution für die Finanzbranche, seit Girokonten nicht mehr auf Papier geführt werden. Wenn wir sagen, dass Häuser wie die Deutsche Bank zu Technologieunternehmen werden müssen, dann ist das keine Phrase. Alles ist in Bewegung - wie die Finanzwelt in zehn Jahren aussehen wird, lässt sich nicht mehr verlässlich vorhersagen. Sicher ist nur: Dazugehören wird dann nur noch, wer sein Geschäft erfolgreich digitalisiert hat. Und die Blockchain ist einer der Bausteine dafür.
©Handelsblatt, 15. Dezember 2017, Seite 72-73
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