Nach dem 31. Januar wird die Europäische Union in erster Linie eine kontinentaleuropäische Union sein. Als jemand, der mit dem Traum aufgewachsen ist, einmal Bürger einer echten EU zu werden, ist das Ausscheiden des Vereinigten Königreichs das entmutigendste politische Ereignis meines Erwachsenenlebens. Die angelsächsischen politischen und kulturellen Werte bildeten ein pragmatisches Gegengewicht zur französischen Staatsgläubigkeit und dem deutschen Ordoliberalismus. Jetzt wird die EU von der französischen Bürokratie und der deutschen Wirtschaftsmacht dominiert.
Die Unterhauswahlen in Großbritannien waren letztlich ein zweites Brexit-Referendum. Damit haben sich weite Teile der britischen Bevölkerung - zumindest außerhalb Londons - auch mental von der EU verabschiedet. Der Brexit ist auch Resultat vermeidbaren europäischen Politikversagens. Ein weniger dogmatischer Ansatz bei den Einwanderungsregeln und mehr Anstrengungen, die Briten zu umwerben, hätten dem ehemaligen Premierminister David Cameron wohl erlaubt, das Referendum in seinem Sinne zu entscheiden.
Aber nun hat sich das Blatt gewendet. Boris Johnson hat eine deutliche Mehrheit erzielt, die ihm schnelle und weitreichende Schritte ermöglicht. Die neue Regierung könnte Fiskal- und Wechselkurspolitik zur Verbesserung der britischen Wettbewerbsfähigkeit einsetzen. Sie kann dabei auf die Rolle Londons als einzige globale Stadt Europas und die weltweit attraktiven englischen Universitäten mit ihrer zentralen Rolle im innovativen britischen Ökosystem bauen. Sie verfügt auch über Instrumente, um eine kurze Anpassungsrezession zu bekämpfen, falls in diesem Jahr kein Handelsabkommen mit der EU zustande kommen sollte. Ein derartiger Schock könnte sogar die Anpassung der Wirtschaft weg vom verarbeitenden Gewerbe beschleunigen.
Damit ist es denkbar, dass sich das Vereinigte Königreich zu einem starken wirtschaftlichen Konkurrenten für die EU entwickelt, indem es etwa den engeren Schulterschluss mit den Vereinigten Staaten und anderen angelsächsischen Ländern sucht. Im Gegensatz dazu hat die EU immer noch nicht die vorgesehenen und notwendigen Integrationsschritte unternommen. Die Unterschiede bei Schlüsselthemen wie Migration, Fiskal-, Industrie- und Wettbewerbspolitik haben sich sogar verschärft. Weder die Banken-, noch die Kapitalmarktunion ist vollendet.
Eine gemeinsame Verteidigungspolitik, die Europa auch nur ansatzweise unabhängig vom Wankelmut des amerikanischen Präsidenten machen könnte, gibt es nicht. In Frankreich gehen die Proteste gegen die Regierung weiter. Absehbare Neuwahlen in Italien könnten die Rechtspopulisten an die Macht bringen. In vielen osteuropäischen Ländern greift Nationalismus um sich. Zu alledem kommt die EZB-Politik, die mit ihrem Festhalten an negativen Zinsen das Vertrauen der Sparer, die Finanzstabilität, das Wachstum und somit die Unterstützung für Europa untergräbt. Es wäre zu wünschen, dass der Brexit einen Weckruf auslöste.
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Nach dem 31. Januar wird die Europäische Union in erster Linie eine kontinentaleuropäische Union sein. Als jemand, der mit dem Traum aufgewachsen ist, einmal Bürger einer echten EU zu werden, ist das Ausscheiden des Vereinigten Königreichs das entmutigendste politische Ereignis meines Erwachsenenlebens. Die angelsächsischen politischen und kulturellen Werte bildeten ein pragmatisches Gegengewicht zur französischen Staatsgläubigkeit und dem deutschen Ordoliberalismus. Jetzt wird die EU von der französischen Bürokratie und der deutschen Wirtschaftsmacht dominiert.
Die Unterhauswahlen in Großbritannien waren letztlich ein zweites Brexit-Referendum. Damit haben sich weite Teile der britischen Bevölkerung - zumindest außerhalb Londons - auch mental von der EU verabschiedet. Der Brexit ist auch Resultat vermeidbaren europäischen Politikversagens. Ein weniger dogmatischer Ansatz bei den Einwanderungsregeln und mehr Anstrengungen, die Briten zu umwerben, hätten dem ehemaligen Premierminister David Cameron wohl erlaubt, das Referendum in seinem Sinne zu entscheiden.
Aber nun hat sich das Blatt gewendet. Boris Johnson hat eine deutliche Mehrheit erzielt, die ihm schnelle und weitreichende Schritte ermöglicht. Die neue Regierung könnte Fiskal- und Wechselkurspolitik zur Verbesserung der britischen Wettbewerbsfähigkeit einsetzen. Sie kann dabei auf die Rolle Londons als einzige globale Stadt Europas und die weltweit attraktiven englischen Universitäten mit ihrer zentralen Rolle im innovativen britischen Ökosystem bauen. Sie verfügt auch über Instrumente, um eine kurze Anpassungsrezession zu bekämpfen, falls in diesem Jahr kein Handelsabkommen mit der EU zustande kommen sollte. Ein derartiger Schock könnte sogar die Anpassung der Wirtschaft weg vom verarbeitenden Gewerbe beschleunigen.
Damit ist es denkbar, dass sich das Vereinigte Königreich zu einem starken wirtschaftlichen Konkurrenten für die EU entwickelt, indem es etwa den engeren Schulterschluss mit den Vereinigten Staaten und anderen angelsächsischen Ländern sucht. Im Gegensatz dazu hat die EU immer noch nicht die vorgesehenen und notwendigen Integrationsschritte unternommen. Die Unterschiede bei Schlüsselthemen wie Migration, Fiskal-, Industrie- und Wettbewerbspolitik haben sich sogar verschärft. Weder die Banken-, noch die Kapitalmarktunion ist vollendet.
Eine gemeinsame Verteidigungspolitik, die Europa auch nur ansatzweise unabhängig vom Wankelmut des amerikanischen Präsidenten machen könnte, gibt es nicht. In Frankreich gehen die Proteste gegen die Regierung weiter. Absehbare Neuwahlen in Italien könnten die Rechtspopulisten an die Macht bringen. In vielen osteuropäischen Ländern greift Nationalismus um sich. Zu alledem kommt die EZB-Politik, die mit ihrem Festhalten an negativen Zinsen das Vertrauen der Sparer, die Finanzstabilität, das Wachstum und somit die Unterstützung für Europa untergräbt. Es wäre zu wünschen, dass der Brexit einen Weckruf auslöste.
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