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14. Januar 2021
Die EU-Kommission will im März ihre erneuerte Strategie zur nachhaltigen Finanzierung (Sustainable Finance Strategy) vorlegen. Hier wird die Kommission konkrete Vorhaben für neue Regulierung präsentieren und auch öffentlich-private Initiativen anregen. Die neue Strategie wird die EU-Politik in diesem Feld bis zum Jahr 2024 prägen. Im Interview spricht Gerald Podobnik, Finanzvorstand der Unternehmensbank, unter anderem über den „Green Deal“ der Europäischen Union und was die Deutsche Bank zu dessen Erfolg beitragen kann.
Die EU-Kommission hat im Dezember 2019 ihren sogenannten „Green Deal“ veröffentlicht. Wie bewerten Sie diesen?
Zuallererst hat es mich sehr gefreut, dass die Kommission diesem wichtigen Thema so viel Platz einräumt. Auf der Prioritätenliste steht es ganz weit oben. Die Ziele des Deals sind sehr ambitioniert, aber notwendig. Bis 2050 als erster Kontinent klimaneutral zu werden ist kein einfaches Vorhaben, das nebenbei erledigt werden kann. Die Klimaentwicklung zeigt uns sehr deutlich, dass wir handeln müssen. Wir haben es in der Hand, dass auch noch Generationen nach uns auf dem blauen Planeten leben können.
Was also braucht es, damit Europa klimaneutral wird?
Die Corona-Pandemie darf den Green Deal nicht dauerhaft überlagern. Klar, momentan muss die EU-Kommission zunächst dafür sorgen, dass die Corona-Hilfsprogramme greifen und die Wirtschaft wieder in Schwung kommt. Doch auch der Green Deal muss umgesetzt werden, meines Erachtens sogar mit größerem Tempo. Die Corona-Hilfsprogramme sollten den Green Deal unterstützen und nicht untergraben.
Die Emissionsziele der EU sind klar und die Unternehmen wissen, was sie tun müssen: Emissionen jeglicher Art senken. Doch dann gehen die Fragen schon los: In welchem Rahmen muss dies geschehen und wie sehen die Zeitpläne aus? Hinzu kommt, dass jede Branche einzeln betrachtet und bewertet werden muss.
Und wenn das nicht schon schwierig genug wäre: In den nächsten Jahren werden weitere Ziele wie Biodiversität oder soziale Standards dazukommen.
Wir müssen auch sicherstellen, dass die Unternehmen für all diesen Wandel über ausreichend Kapital verfügen. Das heißt auch: Wenn Banken mit bestimmten Branchen oder Unternehmen keine Geschäfte mehr machen, haben es diese schwieriger sich zu wandeln. Das ist nicht im Sinne unserer Wirtschaft. Ein gutes Beispiel ist unser Engagement in der Rohstofffinanzierung, ein Bereich aus dem aktuell einige Banken aussteigen.
Viele der Produkte sind aber wichtig für eine nachhaltige Zukunft, die Zeitfenster für den Aufbau der Kapazitäten sind jedoch lang und die Transformation muss finanziert werden. Ein gutes Beispiel ist die Verwendung fossiler Brennstoffe. Erneuerbaren Energien gehört die Zukunft, aber sie sind nicht überall auf der Welt leicht verfügbar. Es ist für eine Übergangszeit besser, ein modernes Gaskraftwerk zu finanzieren, das ein Kohlekraftwerk ersetzt, als alles beim Alten zu lassen.
Das hört sich nach viel Arbeit für die Unternehmen an.
Den Rahmen für das Senken der Emissionen zu erarbeiten – mit allen Feinheiten – wird sehr komplex und detailreich. Und es wird steinige Strecken auf dem Weg geben. Doch das Ergebnis ist das Entscheidende. Die betroffenen Unternehmen müssen wissen, was sie tun müssen, um das Ziel zu erreichen.
Meines Erachtens brauchen wir Programme, die den Umbau der Wirtschaft durch Anreize für nachhaltigeres Verhalten unterstützen. Die Unternehmen müssen langfristig investieren, um Emissionen zu reduzieren und nachhaltiger zu werden. Dafür brauchen sie die richtigen Grundlagen. Und über die Nachhaltigkeit hinaus dient das auch der Erneuerung: Innovationen schaffen neue „grüne“ Jobs und eine widerstandsfähigere Wirtschaft. Davon bin ich fest überzeugt.
Bankenaufseher betrachten das mitunter skeptisch: Diese Anreize für mehr Nachhaltigkeit seien nicht unbedingt nötig und könnten eine grünen Blase erschaffen. Wie sollten die Anreize Ihrer Vorstellung nach aussehen?
Drei Beispiele dafür:
Erstens: Grüne Immobilienkredite und Projekte bei gewerblichen Immobilien, die deren Energieeffizienz verbessern. Zweitens: Investitionen in Infrastruktur, die zu mehr Nachhaltigkeit führen, sollten vom Infrastruktur-Faktor der Kapitaladäquanzverordnung (Capital Requirements Regulation) gedeckt sein, und drittens: Individuelle, klimarisikobasierte Reduktionen von Kapitalanforderungen – sprich: Wenn ein Klimarisiko-Stresstest ergibt, dass eine Bank Nachhaltigkeitsrisiken überdurchschnittlich im internen Risikomanagement berücksichtigt, dann kann sie auch einen Abschlag bei Kapitalanforderungen bekommen.
Wir tauschen uns über alle diese Themen mit Politik und Wirtschaft aus, beispielsweise bei einer gemeinsamen Veranstaltung mit der Landesregierung Hessen.
Bitte erklären Sie Ihr erstes Beispiel näher.
Um Anreize für „grüne Hypotheken“ setzen zu können, braucht man zuerst mehr Einheitlichkeit. Aktuell haben die EU-Länder unterschiedliche Kriterien, nach denen Immobilien einen Energieausweis erhalten. Als Vorbild könnte die Vorgehensweise in Großbritannien dienen. Hier stellt die Regierung Energieausweis-Daten zentral bereit. Dies erleichtert die Vergleichbarkeit der Energieeffizienz und somit der Nachhaltigkeit des gesamten Gebäudebestands.
Damit Europa klimaneutral wird, müssen Wohn- und Gewerbegebäude energieeffizient werden, und entsprechende Finanzierungen zu fördern, wird zu dem Ziel beitragen. In Deutschland wurden beispielsweise zwei Drittel der Wohnhäuser vor 1980 gebaut. Da ist also ein großes Potenzial, die Energieeffizienz mit dem richtigen Produkt für den Kreditnehmer zu fördern.
Die Lösung liegt also auf der Hand: günstige Bedingungen für Hypotheken-Finanzierungen und ein spezifisches Darlehen für die Renovierung. Als Nebeneffekt hat ein solcher Kredit, der von der EU gefördert oder garantiert wird, einen risikomindernden Faktor für Banken, der ihn zu einem attraktiven Produkt in ihrem Portfolio macht. Egal ob Privatperson oder Unternehmen: Jeder kann seinen Beitrag leisten.
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