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18. März 2016
Seit Mitte Februar haben sich die Aktienkurse spürbar erholt – doch noch sind viele Unternehmen günstig bewertet. Dr. Ulrich Stephan, Chef-Anlagestratege für Privat- und Firmenkunden der Deutschen Bank, sieht in ausgewählten Branchen das Potenzial für ein Comeback.
Herr Dr. Stephan, die Aktienmärkte haben nach einem miserablen Start ins neue Jahr wieder Boden gutgemacht. Schlägt jetzt die Stunde der Optimisten?
Stephan: Zumindest können die Anleger einmal durchatmen. Immerhin scheinen sich die Märkte zu beruhigen, die Kursschwankungen lassen nach, der Dax hat in einem Monat um mehr als 10 Prozent zugelegt.
Worauf führen Sie die Erholung zurück?
Stephan: Die Ängste vor einem Einbruch der Wirtschaft zu Beginn des Jahres waren wohl übertrieben. Hilfreich waren die jüngsten geldpolitischen Maßnahmen, aber auch die Ergebnisse der Berichtssaison zur Gewinnlage der Unternehmen.
Die großen Notenbanken stellen weiterhin massiv Liquidität bereit ...
Stephan: Ja, und stützen damit auch die Aktienmärkte. Zuletzt hat die Europäische Zentralbank unerwartet deutlich gehandelt: Der Leitzins wurde auf Null Prozent gesenkt. Wenn Banken Geld bei der EZB als Einlagen parken, verlangt die EZB künftig dafür von den Banken 0,4 Prozent Zins. Zudem werden die monatlichen Anleihenkäufe signifikant ausgeweitet. In den USA hat die Notenbank Fed zwar im Dezember den Leitzins erhöht, dürfte aber angesichts des fragilen Wachstums in den kommenden Monaten sehr vorsichtig agieren.
Welche Rolle spielen die Unternehmensgewinne?
Stephan: Die Analysten haben ihre Gewinnerwartungen für das Jahr 2016 zuletzt deutlich zurückgenommen. Zum Beispiel wird für den MSCI World Index nur noch ein Gewinnwachstum von 3,5 Prozent erwartet, für den breiten europäischen Aktienindex Stoxx 600 von 2,8 Prozent. Das hängt mit dem etwas schwächeren volkswirtschaftlichen Ausblick zusammen. Wenn die Unternehmen keine höheren Umsätze machen und zugleich wenig Spielraum für größere Gewinnmargen besitzen, dann haben auch die Gewinne wenig Luft nach oben. Was die Unternehmen jetzt an Gewinnsteigerungen erzielen können, kommt überwiegend aus Restrukturierungen und teilweise auch aus Aktienrückkäufen.
Sind das gute oder schlechte Nachrichten für den Aktienmarkt?
Stephan: Eher gute, denn die Aktienkurse sind stärker eingebrochen, als die reduzierten Gewinnerwartungen hergeben. Die Kurs-Gewinn-Verhältnisse als Maßstab für die Bewertung von Aktien liegen unter dem historischen Durchschnitt, das heißt, viele Unternehmen sind inzwischen günstig bewertet. Wenn sich die Märkte weiter normalisieren, habe ich wenig Zweifel, dass die Aktienkurse zum Ende des Jahres höher stehen, als sie es heute tun.
Wo sollten Aktienanleger jetzt investieren?
Stephan: Anleger sollten sich auf Europa, die USA und Japan konzentrieren. Japanische Unternehmen halten viel Liquidität, die sie für Aktienrückkäufe und Dividenden verwenden könnten, das sollte den Kursen trotz einer schwachen Gewinnentwicklung einen Schub geben. Aus den Schwellenländern bleiben in Hongkong gehandelte China-Werte interessant.
Welche Branchen sind eine Überlegung wert?
Stephan: Aus Branchensicht bevorzuge ich das Gesundheitswesen, IT und zyklischen Konsum. Alle drei Sektoren haben sich 2015 in Europa und den USA deutlich besser entwickelt als der Gesamtmarkt, um nach dem Jahreswechsel umso heftiger – und aus meiner Sicht übertrieben hart – von den Anlegern bestraft zu werden. Künftig könnten Aktien von Unternehmen aus den genannten Branchen mit nachhaltigen Zukunftsperspektiven ein starkes Comeback erleben. Ebenfalls stark gelitten haben Finanztitel, die aber ein positives Gewinnwachstum zeigen und auf dem jetzigen Bewertungsniveau erhebliche Kursfantasie bieten.
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