Die Zeiten mögen sich ändern, doch Research ist kein Auslaufmodell
Das Research der Banken steht heute vor der größten Herausforderung seit Eliot Spitzer, damals kampfeslustiger Generalstaatsanwalt von New York, vor 15 Jahren die enge Verbindung zwischen Analysten und Investmentbankern zerschlug. Seit Januar müssen nun Bankkunden direkt für Research bezahlen anstatt über eine allgemeine Provision. So dürften Analysten wie ich einen bösen Schock erleiden, wenn sie erkennen, was sie wirklich wert sind. Auch sind viele Beobachter der Ansicht, Research sei ohnehin zum Sterben verurteilt.
Die sogenannte „Sellside“ teilt diese Untergangsstimmung jedoch nicht – obwohl wir generell als zynisch gelten. Wir sehen einer strahlenden Zukunft entgegen, mit nunmehr „entbündelten“ Inhalten, für die die Kunden nur allzu gerne bezahlen. Außenstehende beurteilen dies zu negativ, da sie nicht über die gleichen Daten verfügen wie wir. Das kann man ihnen nicht vorwerfen. Die Aufsichtsbehörden wollen ja gerade deshalb das Dickicht lichten, weil Research finanziell so eng mit dem Wertpapierhandel (Sales & Trading) verwoben ist. Künftig sollen die Kunden sehen, wofür sie bezahlen.
Warum liegen die Schwarzmaler falsch?
Nehmen wir unsere Leserschaft. Niedrige Klickraten werden oft als Zeichen von Desinteresse gewertet. Inzwischen werden die Analysten jedoch ermutigt, ihre wichtigsten Überlegungen in E-Mails zusammenzufassen, um den Kunden das Herunterladen ganzer Analysen zu ersparen. Im Schnitt wird etwa ein Drittel dieser E-Mails geöffnet – eine erhebliche Ausbeute. Zudem steigt diese Quote deutlich an, wenn eigene Analysen attraktiv verpackt werden. So werden unsere besten Inhalte häufig von mehr Interessenten gelesen als die kostenpflichtige Berichterstattung über die Finanzmärkte.
Auch wurde in letzter Zeit häufig behauptet, das Research leide darunter, dass die Zahl der Mitarbeiter seit 2012 um ein Zehntel gesunkenen ist. Hier sieht das Bild jedoch noch etwas besser aus als im Investmentbanking insgesamt, wo der Personalabbau nach Angaben des Datenanbieters Coalition elf Prozent beträgt. Durch neue Technologien wurden bei Publikation und Vertrieb Mitarbeiter abgebaut; in den wichtigen Bereichen ist die personelle Ausstattung jedoch gesichert.
So analysieren die acht großen Research-Häuser weltweit heute die gleiche Anzahl an Unternehmen wie vor zehn Jahren – im Schnitt 3.150 Firmen.
Der brüskierende Hinweis, Investment-Research sei wertlos, hält einer genaueren Analyse noch weniger stand. Für Meetings mit unseren besten Analysten stehen die Kunden Schlange, und die Medien erwarten pro Quartal 300 Berichte von uns. Die Prognosen der Sellside fallen nicht schlechter als die anderer Berufsgruppen aus, und die Analysten nicht für die Auswahl der analysierten Unternehmen bezahlt.
In den späten 90er Jahren, als ich noch als Portfolio-Manager tätig war, haben wir ein Prozent an Verwaltungsgebühren berechnet. Im Vergleich dazu kostet das Sellside-Research nur einen Bruchteil, ca. 0,05-0,1 Prozent, oder im Branchenjargon fünf bis zehn Basispunkte. Angesichts des einzigartigen Know-hows ein ausgesprochenes Schnäppchen – vom Zugang zu Unternehmen, den Konferenzen, Modellen, der Marktpositionierung sowie allen anderen Leistungen ganz zu schweigen.
Bei einem gebündelten Angebot wird dies aber kaum deutlich. Von unseren Kunden wissen wir, wie wertvoll unsere Analysen für sie sind, und sie teilen dies auch unabhängigen Beratern mit. In einer jährlichen Umfrage von Greenwich Associates wird die „Buyside“ – Fondsmanager und andere Investoren – gebeten, den erhaltenen Serviceleistungen einen prozentualen Anteil ihrer Provisionszahlungen zuzuordnen. Und in jedem Jahr zeigen die Antworten wieder, dass die Kunden für Research 45 Prozent, Transaktionsausführung 35 Prozent und Vertrieb 20 Prozent ausgeben würden.
Natürlich kann das Research noch besser werden. Noch immer liefern wir zu viel Masse zu Lasten der Klasse – so produziert zum Beispiel meine Abteilung etwa 50.000 Analysen pro Jahr. Auch müssen wir die Chancen der Digitalisierung besser nutzen, um unsere Inhalte nutzerfreundlicher darzustellen. Einige unserer Kunden wollten darauf nicht mehr warten und haben stattdessen ihre eigenen Analystenteams etabliert. Tatsächlich ist dies aus unserer Sicht gar nicht so schlecht. Es ist die reinste Ironie: Große Research-Bereiche der Buyside nutzen letztlich oft noch mehr Sellside-Inhalte.
Was bringt aber Research für die Bank-Aktionäre?
In den vergangenen zehn Jahren haben alle Investmentbanken ihre Geschäftsmodelle auf den Prüfstand gestellt und harte Entscheidungen getroffen – teilweise wurden ganze Sparten geschlossen. Allerdings hat keine einzige ihr Investment-Research eingestellt, da jeder einzelne Bereich einer Bank direkt oder indirekt vom Research profitiert.
Händler stellen fest, dass ihre Provisionen doppelt so hoch ausfallen, wenn eine Aktie durch einen Analysten betreut wird. Investmentbanker wissen, dass die Chance auf Abschluss eines Deals mit Unterstützung durch Research fünfmal so hoch ist. Und darüber hinaus erstreckt sich unsere Angebotspalette von Vorträgen auf Wealth Management-Konferenzen bis zu Briefings für die oberste Führungsebene des Unternehmens. Positiv ist auch anzumerken, dass wir kein Kapital benötigen.
Research hat schon immer Erträge generiert, nur geschieht dies eher im Hintergrund. Aber das wird sich ändern, und mit etwas Glück werden die Erträge deutlich steigen. Die Statistik zu Leserkreisen, Terminanfragen und Telefonaten zeigt, dass die Nachfrage nach Research-Leistungen in Phasen der Unsicherheit – wie zur Zeit des Brexit-Votums oder des Wahlsiegs Donald Trumps – um mehr als das Doppelte ansteigt.
Und ähnlich wie das aktive Fondsmanagement hat auch das Research nach der Krise unter den insgesamt geringen Renditen an den Finanzmärkten gelitten – die Welt war zu langweilig, zu uniform geworden. Nun da die Welt wieder kontroverser wird, spricht alles für eine Renaissance des Researchs.
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Das Research der Banken steht heute vor der größten Herausforderung seit Eliot Spitzer, damals kampfeslustiger Generalstaatsanwalt von New York, vor 15 Jahren die enge Verbindung zwischen Analysten und Investmentbankern zerschlug. Seit Januar müssen nun Bankkunden direkt für Research bezahlen anstatt über eine allgemeine Provision. So dürften Analysten wie ich einen bösen Schock erleiden, wenn sie erkennen, was sie wirklich wert sind. Auch sind viele Beobachter der Ansicht, Research sei ohnehin zum Sterben verurteilt.
Die sogenannte „Sellside“ teilt diese Untergangsstimmung jedoch nicht – obwohl wir generell als zynisch gelten. Wir sehen einer strahlenden Zukunft entgegen, mit nunmehr „entbündelten“ Inhalten, für die die Kunden nur allzu gerne bezahlen. Außenstehende beurteilen dies zu negativ, da sie nicht über die gleichen Daten verfügen wie wir. Das kann man ihnen nicht vorwerfen. Die Aufsichtsbehörden wollen ja gerade deshalb das Dickicht lichten, weil Research finanziell so eng mit dem Wertpapierhandel (Sales & Trading) verwoben ist. Künftig sollen die Kunden sehen, wofür sie bezahlen.
Warum liegen die Schwarzmaler falsch?
Nehmen wir unsere Leserschaft. Niedrige Klickraten werden oft als Zeichen von Desinteresse gewertet. Inzwischen werden die Analysten jedoch ermutigt, ihre wichtigsten Überlegungen in E-Mails zusammenzufassen, um den Kunden das Herunterladen ganzer Analysen zu ersparen. Im Schnitt wird etwa ein Drittel dieser E-Mails geöffnet – eine erhebliche Ausbeute. Zudem steigt diese Quote deutlich an, wenn eigene Analysen attraktiv verpackt werden. So werden unsere besten Inhalte häufig von mehr Interessenten gelesen als die kostenpflichtige Berichterstattung über die Finanzmärkte.
Auch wurde in letzter Zeit häufig behauptet, das Research leide darunter, dass die Zahl der Mitarbeiter seit 2012 um ein Zehntel gesunkenen ist. Hier sieht das Bild jedoch noch etwas besser aus als im Investmentbanking insgesamt, wo der Personalabbau nach Angaben des Datenanbieters Coalition elf Prozent beträgt. Durch neue Technologien wurden bei Publikation und Vertrieb Mitarbeiter abgebaut; in den wichtigen Bereichen ist die personelle Ausstattung jedoch gesichert.
Der brüskierende Hinweis, Investment-Research sei wertlos, hält einer genaueren Analyse noch weniger stand. Für Meetings mit unseren besten Analysten stehen die Kunden Schlange, und die Medien erwarten pro Quartal 300 Berichte von uns. Die Prognosen der Sellside fallen nicht schlechter als die anderer Berufsgruppen aus, und die Analysten nicht für die Auswahl der analysierten Unternehmen bezahlt.
In den späten 90er Jahren, als ich noch als Portfolio-Manager tätig war, haben wir ein Prozent an Verwaltungsgebühren berechnet. Im Vergleich dazu kostet das Sellside-Research nur einen Bruchteil, ca. 0,05-0,1 Prozent, oder im Branchenjargon fünf bis zehn Basispunkte. Angesichts des einzigartigen Know-hows ein ausgesprochenes Schnäppchen – vom Zugang zu Unternehmen, den Konferenzen, Modellen, der Marktpositionierung sowie allen anderen Leistungen ganz zu schweigen.
Bei einem gebündelten Angebot wird dies aber kaum deutlich. Von unseren Kunden wissen wir, wie wertvoll unsere Analysen für sie sind, und sie teilen dies auch unabhängigen Beratern mit. In einer jährlichen Umfrage von Greenwich Associates wird die „Buyside“ – Fondsmanager und andere Investoren – gebeten, den erhaltenen Serviceleistungen einen prozentualen Anteil ihrer Provisionszahlungen zuzuordnen. Und in jedem Jahr zeigen die Antworten wieder, dass die Kunden für Research 45 Prozent, Transaktionsausführung 35 Prozent und Vertrieb 20 Prozent ausgeben würden.
Natürlich kann das Research noch besser werden. Noch immer liefern wir zu viel Masse zu Lasten der Klasse – so produziert zum Beispiel meine Abteilung etwa 50.000 Analysen pro Jahr. Auch müssen wir die Chancen der Digitalisierung besser nutzen, um unsere Inhalte nutzerfreundlicher darzustellen. Einige unserer Kunden wollten darauf nicht mehr warten und haben stattdessen ihre eigenen Analystenteams etabliert. Tatsächlich ist dies aus unserer Sicht gar nicht so schlecht. Es ist die reinste Ironie: Große Research-Bereiche der Buyside nutzen letztlich oft noch mehr Sellside-Inhalte.
Was bringt aber Research für die Bank-Aktionäre?
In den vergangenen zehn Jahren haben alle Investmentbanken ihre Geschäftsmodelle auf den Prüfstand gestellt und harte Entscheidungen getroffen – teilweise wurden ganze Sparten geschlossen. Allerdings hat keine einzige ihr Investment-Research eingestellt, da jeder einzelne Bereich einer Bank direkt oder indirekt vom Research profitiert.
Händler stellen fest, dass ihre Provisionen doppelt so hoch ausfallen, wenn eine Aktie durch einen Analysten betreut wird. Investmentbanker wissen, dass die Chance auf Abschluss eines Deals mit Unterstützung durch Research fünfmal so hoch ist. Und darüber hinaus erstreckt sich unsere Angebotspalette von Vorträgen auf Wealth Management-Konferenzen bis zu Briefings für die oberste Führungsebene des Unternehmens. Positiv ist auch anzumerken, dass wir kein Kapital benötigen.
Research hat schon immer Erträge generiert, nur geschieht dies eher im Hintergrund. Aber das wird sich ändern, und mit etwas Glück werden die Erträge deutlich steigen. Die Statistik zu Leserkreisen, Terminanfragen und Telefonaten zeigt, dass die Nachfrage nach Research-Leistungen in Phasen der Unsicherheit – wie zur Zeit des Brexit-Votums oder des Wahlsiegs Donald Trumps – um mehr als das Doppelte ansteigt.
Und ähnlich wie das aktive Fondsmanagement hat auch das Research nach der Krise unter den insgesamt geringen Renditen an den Finanzmärkten gelitten – die Welt war zu langweilig, zu uniform geworden. Nun da die Welt wieder kontroverser wird, spricht alles für eine Renaissance des Researchs.
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