Herr Dr. Stephan, seit Ende 2008 hält die US-Notenbank ihren Leitzins bei ultraniedrigen 0 bis 0,25 Prozent. Erleben wir noch in diesem Jahr die Zinswende?
Stephan: Ja, das ist zu erwarten. Die US-Notenbankchefin Janet Yellen hält eine Zinserhöhung im weiteren Jahresverlauf nach eigener Aussage für angemessen, wenn sich die Lage am Arbeitsmarkt weiter verbessert. Die Deutsche Bank geht von einem ersten Zinsschritt im September aus.
Einen zweiten im Dezember halte ich ebenfalls nicht für ausgeschlossen. Zum Jahresende könnte die sogenannte Fed Funds Rate bereits bei 0,5 bis 0,75 Prozent liegen.
Ist die US-Wirtschaft wieder stark genug für höhere Zinsen?
Stephan: Aus heutiger Sicht, ja. Die Zahl der Erwerbstätigen wächst, die Qualität der Arbeit verbessert sich und die Löhne steigen. Mittelfristig dürfte das den Konsum und damit die gesamte US-Wirtschaft weiter ankurbeln. Ich erwarte deshalb, dass sich das BIP-Wachstum in den USA beschleunigt, von mäßigen 2,3 Prozent im laufenden Jahr auf 3,0 Prozent im Jahr 2016.
Ein höherer Leitzins wirkt inflationsdämpfend. Aktuell bewegt sich die US-Inflation aber schon nahe der Null-Linie – sehen Sie da ein Problem?
Stephan: Die Inflationsrate ist ein entscheidender Faktor für die Zinsentscheidung. Ich erwarte hier aber keine kurzfristigen Einbrüche mehr. 2016 ist trotz Zinsanhebung ein deutlicher Anstieg der US-Inflation auf 2,6 Prozent möglich.
Was bedeutet die US-Zinswende, wenn sie tatsächlich kommt, für private Anleger?
Stephan: Der US-Dollar sollte dann seinen im Frühjahr unterbrochenen Aufwärtstrend gegenüber dem Euro wieder aufnehmen. Im Euroraum ist von steigenden Zinsen noch keine Rede und die Europäische Zentralbank dürfte ihr Anleihenkaufprogramm fortsetzen. Damit sollte Kapital verstärkt von Europa in die USA fließen, wo höhere Zinsgewinne zu erzielen sind.
Ich erwarte unverändert, dass schon Ende 2015 die Parität zwischen Euro und US-Dollar möglich ist, also ein Kurs von eins zu eins. Euro-Anleger, die jetzt in den USA investiert sind, haben damit die Chance auf Währungsgewinne.
Wie reagiert der US-Aktienmarkt auf die erwartete Zinsanhebung?
Stephan: Derzeit mit höherer Volatilität, wobei der breite Index S&P 500 immer noch in der Nähe seiner Höchststände notiert. Eine vorübergehende Konsolidierung ist möglich, einen langfristigen Abwärtstrend erwarte ich aber nicht. Sobald Klarheit über den ersten Zinsschritt besteht, könnten sich die Kurse wieder stabilisieren. Wenn die Konjunktur dann weiter anzieht und die US-Notenbank behutsam agiert, sind im kommenden Jahr neue Höchststände möglich – mit einem Ziel von 2.300 Punkten für den S&P 500 zum Ende 2016.
In den Schwellenländern kam es zu Marktturbulenzen, als die US-Notenbank vor zwei Jahren ihre Geldpolitik straffte. Erwarten Sie ein Déjà-vu-Erlebnis?
Stephan: Es bestehen in vielen Schwellenländern berechtigte Sorgen, weil die vergangenen zwei Jahre nicht für notwendige Strukturreformen genutzt wurden. Südafrika, die Türkei und Brasilien sind Beispiele für hausgemachte Probleme, die sich im Zuge der US-Zinswende verschärfen könnten. Anleihen aus asiatischen Schwellenländern, vor allem in Euro oder US-Dollar, bleiben aber interessant. Auch bei Schwellenländeraktien bevorzuge ich asiatische Werte.
Chinesische Aktien könnten beispielsweise auf Dauer von höheren Investitionen und einer lockeren Geld- und Fiskalpolitik profitieren. Da hier jedoch weiter mit Volatilität zu rechnen ist, ist auch der von uns bevorzugte H-Markt in Hongkong nichts für Anleger mit schwachen Nerven. Er bietet jedoch auf längere Sicht großes Potenzial.
Auch Indien setzt seine Reformen und den Bürokratieabbau fort und könnte sich als neuer Wachstumsmotor Asiens etablieren. Jenseits der Schwellenländer bleibt Japan eine der von uns bevorzugten Anlageregionen. Hier wuchsen beispielsweise die Gewinnerwartungen der Analysten seit Anfang 2014 kontinuierlich.
Was raten Sie privaten Anlegern mit Blick auf die nächsten Monate?
Stephan: Das Vermögensportfolio im Hinblick auf die Anlageklassen und Länderauswahl besonders breit aufstellen und im Zweifelsfall auf aktives Anlagemanagement setzen. Denn rasch wechselnde Rahmenbedingungen – auch in der Politik – können zu erhöhter Volatilität an den Finanzmärkten führen. Ratsam ist eine intensive Beobachtung der Märkte, um das Portfolio bei Bedarf schnell anzupassen.
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Herr Dr. Stephan, seit Ende 2008 hält die US-Notenbank ihren Leitzins bei ultraniedrigen 0 bis 0,25 Prozent. Erleben wir noch in diesem Jahr die Zinswende?
Stephan: Ja, das ist zu erwarten. Die US-Notenbankchefin Janet Yellen hält eine Zinserhöhung im weiteren Jahresverlauf nach eigener Aussage für angemessen, wenn sich die Lage am Arbeitsmarkt weiter verbessert. Die Deutsche Bank geht von einem ersten Zinsschritt im September aus.
Einen zweiten im Dezember halte ich ebenfalls nicht für ausgeschlossen. Zum Jahresende könnte die sogenannte Fed Funds Rate bereits bei 0,5 bis 0,75 Prozent liegen.
Ist die US-Wirtschaft wieder stark genug für höhere Zinsen?
Stephan: Aus heutiger Sicht, ja. Die Zahl der Erwerbstätigen wächst, die Qualität der Arbeit verbessert sich und die Löhne steigen. Mittelfristig dürfte das den Konsum und damit die gesamte US-Wirtschaft weiter ankurbeln. Ich erwarte deshalb, dass sich das BIP-Wachstum in den USA beschleunigt, von mäßigen 2,3 Prozent im laufenden Jahr auf 3,0 Prozent im Jahr 2016.
Ein höherer Leitzins wirkt inflationsdämpfend. Aktuell bewegt sich die US-Inflation aber schon nahe der Null-Linie – sehen Sie da ein Problem?
Stephan: Die Inflationsrate ist ein entscheidender Faktor für die Zinsentscheidung. Ich erwarte hier aber keine kurzfristigen Einbrüche mehr. 2016 ist trotz Zinsanhebung ein deutlicher Anstieg der US-Inflation auf 2,6 Prozent möglich.
Was bedeutet die US-Zinswende, wenn sie tatsächlich kommt, für private Anleger?
Stephan: Der US-Dollar sollte dann seinen im Frühjahr unterbrochenen Aufwärtstrend gegenüber dem Euro wieder aufnehmen. Im Euroraum ist von steigenden Zinsen noch keine Rede und die Europäische Zentralbank dürfte ihr Anleihenkaufprogramm fortsetzen. Damit sollte Kapital verstärkt von Europa in die USA fließen, wo höhere Zinsgewinne zu erzielen sind.
Ich erwarte unverändert, dass schon Ende 2015 die Parität zwischen Euro und US-Dollar möglich ist, also ein Kurs von eins zu eins. Euro-Anleger, die jetzt in den USA investiert sind, haben damit die Chance auf Währungsgewinne.
Wie reagiert der US-Aktienmarkt auf die erwartete Zinsanhebung?
Stephan: Derzeit mit höherer Volatilität, wobei der breite Index S&P 500 immer noch in der Nähe seiner Höchststände notiert. Eine vorübergehende Konsolidierung ist möglich, einen langfristigen Abwärtstrend erwarte ich aber nicht. Sobald Klarheit über den ersten Zinsschritt besteht, könnten sich die Kurse wieder stabilisieren. Wenn die Konjunktur dann weiter anzieht und die US-Notenbank behutsam agiert, sind im kommenden Jahr neue Höchststände möglich – mit einem Ziel von 2.300 Punkten für den S&P 500 zum Ende 2016.
In den Schwellenländern kam es zu Marktturbulenzen, als die US-Notenbank vor zwei Jahren ihre Geldpolitik straffte. Erwarten Sie ein Déjà-vu-Erlebnis?
Stephan: Es bestehen in vielen Schwellenländern berechtigte Sorgen, weil die vergangenen zwei Jahre nicht für notwendige Strukturreformen genutzt wurden. Südafrika, die Türkei und Brasilien sind Beispiele für hausgemachte Probleme, die sich im Zuge der US-Zinswende verschärfen könnten. Anleihen aus asiatischen Schwellenländern, vor allem in Euro oder US-Dollar, bleiben aber interessant. Auch bei Schwellenländeraktien bevorzuge ich asiatische Werte.
Chinesische Aktien könnten beispielsweise auf Dauer von höheren Investitionen und einer lockeren Geld- und Fiskalpolitik profitieren. Da hier jedoch weiter mit Volatilität zu rechnen ist, ist auch der von uns bevorzugte H-Markt in Hongkong nichts für Anleger mit schwachen Nerven. Er bietet jedoch auf längere Sicht großes Potenzial.
Auch Indien setzt seine Reformen und den Bürokratieabbau fort und könnte sich als neuer Wachstumsmotor Asiens etablieren. Jenseits der Schwellenländer bleibt Japan eine der von uns bevorzugten Anlageregionen. Hier wuchsen beispielsweise die Gewinnerwartungen der Analysten seit Anfang 2014 kontinuierlich.
Was raten Sie privaten Anlegern mit Blick auf die nächsten Monate?
Stephan: Das Vermögensportfolio im Hinblick auf die Anlageklassen und Länderauswahl besonders breit aufstellen und im Zweifelsfall auf aktives Anlagemanagement setzen. Denn rasch wechselnde Rahmenbedingungen – auch in der Politik – können zu erhöhter Volatilität an den Finanzmärkten führen. Ratsam ist eine intensive Beobachtung der Märkte, um das Portfolio bei Bedarf schnell anzupassen.
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