Die Sieger von morgen heißen Uber, Airbnb und Alibaba. Sie haben keine Fabriken, keine Geschichte, kaum Personal. Diesem Modell eifern nun Traditionsfirmen nach. Sogar die 150 Jahre alte Deutsche Bank.
Wenn es kein klassischer Industriebetrieb, keine Bank mehr schafft in die Rangliste der fünf wertvollsten Unternehmen der Welt, dann ist etwas passiert. „Wir erleben eine Revolution, im Denken wie im Geschäft der Konzerne“, sagt Geoffrey Parker, amerikanischer Professor und Forscher am Massachusetts Institute of Technology (MIT) – und schiebt die Beweise dafür über den Tresen: die Zahlen, die belegen, wie blutjunge Firmen mit minimalem Personal und dünnem Kapital erfolgsverwöhnten Traditionsunternehmen zusetzen.
Fahrdienst Uber ist mehr wert als BMW – und baut kein einziges Auto. Zimmervermittler Airbnb ist wertvoller als der Hotelkonzern Marriott – und besitzt kein einziges Bett. Der größte Börsengang aller Zeiten war der von Alibaba im Jahr 2014, dabei besitzt Gründer Jack Ma keinen einzigen Laden, kein einziges Lager – er stellt nur einen virtuellen Marktplatz zur Verfügung, auf dem Fremde ihre Waren tauschen. Die Lieblinge der Börse heißen heute Google, Amazon, Facebook.
Weit und breit ist in der Liste der wertvollsten Firmen nichts mehr zu sehen von General Electric, dem Industriegiganten, von Exxon, dem Ölkonzern, oder der Citibank, die vor 15 Jahren noch ganz oben standen (siehe Grafik „Die Champions an der Börse“). Es lässt sich nicht leugnen: Die Gesetze der Wirtschaft ändern sich, Kunden freuen sich über neue Annehmlichkeiten und günstigere Preise, hergebrachte Geschäftsmodelle wanken.
Das ist Geoffrey Parkers Theorie. „Plattform-Revolution“ heißt sein Bestseller, mit seinen Thesen reist er um die Welt.
Auch in Deutschland hören die Konzernchefs gebannt zu, schließlich hat sich herumgesprochen, dass gestern noch unbekannte Angreifer ganze Branchen zerlegen. „Disruption“ heißt das Zauberwort, es geht selbst behäbigeren Managern inzwischen fehlerfrei über die Lippen. Ob Auto-, Chemie- oder Gesundheitsbranche, Handel oder Banken – alle müssen sich umschauen, wie sie morgen ihr Geld verdienen. „Die deutschen Konzerne nehmen die Herausforderung an“, berichtet Parker von Treffen mit Top-Managern namhafter Adressen. Von Bosch und BMW über SAP zu Siemens und der Deutschen Bank, alle haben sie ihn schon eingeladen oder arbeiten dauerhaft mit ihm zusammen.
Parker warnt sie allesamt: Traditionskonzerne dürfen nicht tatenlos herumsitzen auf ihren Fabriken und dicken Bilanzen. Je schneller sie verstehen, mit welchen neuen Mitspielern sie es in der digitalen Welt zu tun bekommen, desto besser. Das Rezept, das der Amerikaner empfiehlt, klingt simpel: „Schaffe einen Marktplatz, wo Kunden und Anbieter zusammentreffen, um Mehrwert für beide Seiten zu schaffen.“
Tatsächlich ist dies aber viel leichter gesagt als getan. Denn die meisten Unternehmen ticken anders, das konventionelle Geschäft verläuft nach anderen Regeln: Eine Fabrik kauft Rohstoffe, produziert mit ihren Arbeitern daraus Ware und liefert sie einem Kunden, der dafür bezahlt. „Pipeline-Wirtschaft“ nennt das Parker, im Gegensatz zu seiner „Plattform-Ökonomie“. Deren Vorzeigefirmen Uber und Airbnb haben die Welt erobert ohne große Vermögensgegenstände. „Sie haben es geschafft, zuvor ungenutzte Kapazitäten dem Markt zuzuführen, die Transaktionskosten zu senken und so die Kunden günstiger mit dem Angebot zusammenzuführen.“
Wohl war: Es ist etwas anderes, ob man ein physisches Produkt wie ein Automobil verkauft oder sein Geld mit Mobilitätsdiensten in der digitalen Welt verdient. Dazu braucht es keine Fabriken, keine Historie, keine vollständige Wertschöpfungskette. „Jeder kann als Dienstleister damit anfangen. Wir erleben unglaublich revolutionäre Zeiten“, sagt Parker. Die Frage ist nur: Wer geht daraus als Sieger hervor? Und wer erklärt dem BMW-Ingenieur, dass seine Ideen womöglich gar nicht mehr gefragt sind, weil nicht das Automodell über den Erfolg entscheidet, sondern einzig die Beziehung zum Kunden?
Und was folgt daraus für die Strategie des Unternehmens? Wohin fließen Aufmerksamkeit und Ressourcen?
Solche Debatten spielen sich gegenwärtig in allen Unternehmen ab, so schmerzhaft sie auch sein mögen.
Einer der ersten Vertreter der Old Economy, der die Plattform für sich entdeckte, war hierzulande Gisbert Rühl, der Chef von Europas größtem Stahlhändler Klöckner, einem 100 Jahre alten Handelshaus aus Duisburg.
Als Rühl antrat, stand das Unternehmen mit dem Rücken zur Wand: Gegen die Chinesen hat es keine Chance mehr, dachten alle. Also hat er angefangen, aus der darniederliegenden Tradition heraus eine Digitalbude aufzuziehen.
Weil er früher dran war als andere und er es darüber hinaus versteht, ordentlich Wirbel zu veranstalten, hat ihn das einigermaßen berühmt gemacht.
Am Dienstag wird ihn sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel persönlich besuchen, um sich die neuen Räumlichkeiten des Digital-Ablegers „Klöckner.i“ in Berlin anzuschauen: eine Plattform, über die nicht nur Klöckner selbst Stahl verkauft, sondern demnächst auch die Wettbewerber des Unternehmens.
„Nur wer sich die Konkurrenz auf die eigene Plattform holt, hat eine Chance“, sagt Rühl. „Wenn wir die Plattform nicht machen, kommt ein anderer und wir sind überflüssig. Da kannibalisieren wir uns lieber selbst.“
Der Klöckner-Chef träumt vom digitalen Multi-Metall-Shop, vom gigantischen, offenen Industrieportal. Der Mann hat seine Lektion in Plattform-Ökonomie gelernt. „Maßgeblich ist der Traffic auf der Plattform“, doziert Geoffrey Parker, der MIT-Professor – sogar dann, wenn nicht alle Nutzer direkt bezahlen: „Ihr Wert besteht für den Anbieter darin, dass sie dort präsent sind für andere im Netzwerk, die dann den Plattform-Anbieter entlohnen.“
Das Geld kommt nicht mehr unbedingt vom Verbraucher, wie seit Jahrhunderten üblich, sondern womöglich vom Wettbewerber, der die Plattform mitnutzt und dafür eine Gebühr abdrückt. „Das ist schwer zu akzeptieren für traditionelle Manager“, sagt Parker. „Wir müssen ihnen beibringen: Ihr werdet schon bezahlt, nur an anderer Stelle.“
Über solche Fragen brüten sie auch in der Deutschen Bank. Vor neun Monaten hat der Konzern deshalb eine strategische Partnerschaft mit dem MIT vereinbart. „Wir machen regelmäßig mit den MIT-Professoren hier in Frankfurt und in Übersee Workshops zur Zukunft des Plattform-Banking“, berichtet Markus Pertlwieser, ein ehemaliger McKinsey-Berater, heute Digitalstratege des Hauses, draußen vor den Toren der Stadt in Sossenheim, im Zukunftslabor der Bank.
Nun hatte das Finanzgewerbe noch nie physische Ware im Angebot. Kredit und Sparbuch sind abstrakte Produkte, die Zinsdifferenz ist der Gewinn.
Die Grundsatzfrage aber ist auch hier: Was zählt künftig? Das einzelne Produkt oder die Kundenkontakte? „Wir als Deutsche Bank setzen voll auf die Beziehung zum Kunden“, antwortet Stratege Pertlwieser – also auf die Plattform. Einfache Finanzprodukte wie Darlehen oder Einlagen würden zunehmend austauschbar. „Entscheidend ist: Wer hat den Draht zum Kunden? Das differenziert die Banken in der Zukunft. Wir haben Tag für Tag mehr als eine Million Kundenkontakte außerhalb der Filialen, über Smartphone und PC.“ Die Bank müsse ein Technologiekonzern werden, zitiert Pertlwieser seinen Vorstandschef John Cryan.
Konkret baut Pertlwieser mit seinen Leuten an einem bankeigenen App-Store, über den die Kunden Bankprodukte, aber auch Dienstleistungen bekommen, die nichts mit dem klassischen Bankgeschäft zu tun haben.
Und wer bezahlt dafür?
„Der Partner oder die Kunden oder beide, je nachdem“, sagt er. Ende Juni startet ein Pilotprojekt, ein „kuratierter Einlagenmarktplatz“, wie die Bank die Plattform umschreibt, deren Name noch geheim gehalten wird. Dort soll es eigene Produkte geben, aber auch die von Dritten. Die Deutsche Bank schiebt darüber also im Zweifel das Geld ihrer Kunden zur Konkurrenz, das ist tatsächlich neu.
Über die Plattform soll künftig Festgeld ausgewählter ausländischer Wettbewerber angeboten werden, anfangs nur von einer, bis Ende des Jahres von zwei weiteren Auslandsbanken. Der Kunde bekommt so womöglich mehr Zins, die Konkurrenzbank refinanziert sich über deutsche Sparer – und die Deutsche Bank kassiert für die Vermittlung eine Gebühr. Der Clou: Wer einmal registriert ist, kann sein Geld zwischen den Banken umstandslos hin und her schieben. Nie war der Umzug mit dem Konto einfacher.
Laut Marktforschung wollen auch Kunden, die bei vier, fünf oder sechs Banken Konten haben, digital am liebsten nur eine Anlaufstelle. Eine Bank, bei der sie den Identifizierungsprozess durchlaufen, den sie dann an anderer Stelle nicht aufwendig wiederholen wollen.
Die spielentscheidende Frage lautet nun: Wem vertrauen die Bürger ihre digitale Identität an? Hinterlegen sie Bankverbindung und Personalausweis beim anonymen Cloud-Anbieter – oder doch lieber bei der Hausbank? Darauf setzt Markus Pertlwieser, der Deutsche-Bank-Manager: „Zu uns haben die Leute ein weit größeres Vertrauen als zu Social-Media-Netzwerken oder reinen Onlinefirmen.“ Wer sich durchsetzen will, glaubt er, braucht eine starke Marke und regen Kundenverkehr. „Von beidem haben wir mehr als jeder Neuling“, sagt Pertlwieser.
„Die wirklich mächtigen Wettbewerber für uns Banken sind nicht Fintech-Startups, sondern die großen IT-Konzerne aus Kalifornien.“ Allenfalls eine Handvoll junger Firmen aus der Finanzbranche wird irgendwann relevant, sagt auch MIT-Forscher Geoffrey Parker voraus. „Ihr klassisches Schicksal ist es, von etablierten Spielern aufgekauft zu werden.“
Die Sieger von morgen heißen Uber, Airbnb und Alibaba. Sie haben keine Fabriken, keine Geschichte, kaum Personal. Diesem Modell eifern nun Traditionsfirmen nach. Sogar die 150 Jahre alte Deutsche Bank.
Wenn es kein klassischer Industriebetrieb, keine Bank mehr schafft in die Rangliste der fünf wertvollsten Unternehmen der Welt, dann ist etwas passiert. „Wir erleben eine Revolution, im Denken wie im Geschäft der Konzerne“, sagt Geoffrey Parker, amerikanischer Professor und Forscher am Massachusetts Institute of Technology (MIT) – und schiebt die Beweise dafür über den Tresen: die Zahlen, die belegen, wie blutjunge Firmen mit minimalem Personal und dünnem Kapital erfolgsverwöhnten Traditionsunternehmen zusetzen.
Weit und breit ist in der Liste der wertvollsten Firmen nichts mehr zu sehen von General Electric, dem Industriegiganten, von Exxon, dem Ölkonzern, oder der Citibank, die vor 15 Jahren noch ganz oben standen (siehe Grafik „Die Champions an der Börse“). Es lässt sich nicht leugnen: Die Gesetze der Wirtschaft ändern sich, Kunden freuen sich über neue Annehmlichkeiten und günstigere Preise, hergebrachte Geschäftsmodelle wanken.
Das ist Geoffrey Parkers Theorie. „Plattform-Revolution“ heißt sein Bestseller, mit seinen Thesen reist er um die Welt.
Auch in Deutschland hören die Konzernchefs gebannt zu, schließlich hat sich herumgesprochen, dass gestern noch unbekannte Angreifer ganze Branchen zerlegen. „Disruption“ heißt das Zauberwort, es geht selbst behäbigeren Managern inzwischen fehlerfrei über die Lippen. Ob Auto-, Chemie- oder Gesundheitsbranche, Handel oder Banken – alle müssen sich umschauen, wie sie morgen ihr Geld verdienen. „Die deutschen Konzerne nehmen die Herausforderung an“, berichtet Parker von Treffen mit Top-Managern namhafter Adressen. Von Bosch und BMW über SAP zu Siemens und der Deutschen Bank, alle haben sie ihn schon eingeladen oder arbeiten dauerhaft mit ihm zusammen.
Parker warnt sie allesamt: Traditionskonzerne dürfen nicht tatenlos herumsitzen auf ihren Fabriken und dicken Bilanzen. Je schneller sie verstehen, mit welchen neuen Mitspielern sie es in der digitalen Welt zu tun bekommen, desto besser. Das Rezept, das der Amerikaner empfiehlt, klingt simpel: „Schaffe einen Marktplatz, wo Kunden und Anbieter zusammentreffen, um Mehrwert für beide Seiten zu schaffen.“
Tatsächlich ist dies aber viel leichter gesagt als getan. Denn die meisten Unternehmen ticken anders, das konventionelle Geschäft verläuft nach anderen Regeln: Eine Fabrik kauft Rohstoffe, produziert mit ihren Arbeitern daraus Ware und liefert sie einem Kunden, der dafür bezahlt. „Pipeline-Wirtschaft“ nennt das Parker, im Gegensatz zu seiner „Plattform-Ökonomie“. Deren Vorzeigefirmen Uber und Airbnb haben die Welt erobert ohne große Vermögensgegenstände. „Sie haben es geschafft, zuvor ungenutzte Kapazitäten dem Markt zuzuführen, die Transaktionskosten zu senken und so die Kunden günstiger mit dem Angebot zusammenzuführen.“
Wohl war: Es ist etwas anderes, ob man ein physisches Produkt wie ein Automobil verkauft oder sein Geld mit Mobilitätsdiensten in der digitalen Welt verdient. Dazu braucht es keine Fabriken, keine Historie, keine vollständige Wertschöpfungskette. „Jeder kann als Dienstleister damit anfangen. Wir erleben unglaublich revolutionäre Zeiten“, sagt Parker. Die Frage ist nur: Wer geht daraus als Sieger hervor? Und wer erklärt dem BMW-Ingenieur, dass seine Ideen womöglich gar nicht mehr gefragt sind, weil nicht das Automodell über den Erfolg entscheidet, sondern einzig die Beziehung zum Kunden?
Und was folgt daraus für die Strategie des Unternehmens? Wohin fließen Aufmerksamkeit und Ressourcen?
Solche Debatten spielen sich gegenwärtig in allen Unternehmen ab, so schmerzhaft sie auch sein mögen.
Einer der ersten Vertreter der Old Economy, der die Plattform für sich entdeckte, war hierzulande Gisbert Rühl, der Chef von Europas größtem Stahlhändler Klöckner, einem 100 Jahre alten Handelshaus aus Duisburg.
Als Rühl antrat, stand das Unternehmen mit dem Rücken zur Wand: Gegen die Chinesen hat es keine Chance mehr, dachten alle. Also hat er angefangen, aus der darniederliegenden Tradition heraus eine Digitalbude aufzuziehen.
Weil er früher dran war als andere und er es darüber hinaus versteht, ordentlich Wirbel zu veranstalten, hat ihn das einigermaßen berühmt gemacht.
Am Dienstag wird ihn sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel persönlich besuchen, um sich die neuen Räumlichkeiten des Digital-Ablegers „Klöckner.i“ in Berlin anzuschauen: eine Plattform, über die nicht nur Klöckner selbst Stahl verkauft, sondern demnächst auch die Wettbewerber des Unternehmens.
„Nur wer sich die Konkurrenz auf die eigene Plattform holt, hat eine Chance“, sagt Rühl. „Wenn wir die Plattform nicht machen, kommt ein anderer und wir sind überflüssig. Da kannibalisieren wir uns lieber selbst.“
Das Geld kommt nicht mehr unbedingt vom Verbraucher, wie seit Jahrhunderten üblich, sondern womöglich vom Wettbewerber, der die Plattform mitnutzt und dafür eine Gebühr abdrückt. „Das ist schwer zu akzeptieren für traditionelle Manager“, sagt Parker. „Wir müssen ihnen beibringen: Ihr werdet schon bezahlt, nur an anderer Stelle.“
Über solche Fragen brüten sie auch in der Deutschen Bank. Vor neun Monaten hat der Konzern deshalb eine strategische Partnerschaft mit dem MIT vereinbart. „Wir machen regelmäßig mit den MIT-Professoren hier in Frankfurt und in Übersee Workshops zur Zukunft des Plattform-Banking“, berichtet Markus Pertlwieser, ein ehemaliger McKinsey-Berater, heute Digitalstratege des Hauses, draußen vor den Toren der Stadt in Sossenheim, im Zukunftslabor der Bank.
Nun hatte das Finanzgewerbe noch nie physische Ware im Angebot. Kredit und Sparbuch sind abstrakte Produkte, die Zinsdifferenz ist der Gewinn.
Die Grundsatzfrage aber ist auch hier: Was zählt künftig? Das einzelne Produkt oder die Kundenkontakte? „Wir als Deutsche Bank setzen voll auf die Beziehung zum Kunden“, antwortet Stratege Pertlwieser – also auf die Plattform. Einfache Finanzprodukte wie Darlehen oder Einlagen würden zunehmend austauschbar. „Entscheidend ist: Wer hat den Draht zum Kunden? Das differenziert die Banken in der Zukunft. Wir haben Tag für Tag mehr als eine Million Kundenkontakte außerhalb der Filialen, über Smartphone und PC.“ Die Bank müsse ein Technologiekonzern werden, zitiert Pertlwieser seinen Vorstandschef John Cryan.
Konkret baut Pertlwieser mit seinen Leuten an einem bankeigenen App-Store, über den die Kunden Bankprodukte, aber auch Dienstleistungen bekommen, die nichts mit dem klassischen Bankgeschäft zu tun haben.
Und wer bezahlt dafür?
„Der Partner oder die Kunden oder beide, je nachdem“, sagt er. Ende Juni startet ein Pilotprojekt, ein „kuratierter Einlagenmarktplatz“, wie die Bank die Plattform umschreibt, deren Name noch geheim gehalten wird. Dort soll es eigene Produkte geben, aber auch die von Dritten. Die Deutsche Bank schiebt darüber also im Zweifel das Geld ihrer Kunden zur Konkurrenz, das ist tatsächlich neu.
Über die Plattform soll künftig Festgeld ausgewählter ausländischer Wettbewerber angeboten werden, anfangs nur von einer, bis Ende des Jahres von zwei weiteren Auslandsbanken. Der Kunde bekommt so womöglich mehr Zins, die Konkurrenzbank refinanziert sich über deutsche Sparer – und die Deutsche Bank kassiert für die Vermittlung eine Gebühr. Der Clou: Wer einmal registriert ist, kann sein Geld zwischen den Banken umstandslos hin und her schieben. Nie war der Umzug mit dem Konto einfacher.
Laut Marktforschung wollen auch Kunden, die bei vier, fünf oder sechs Banken Konten haben, digital am liebsten nur eine Anlaufstelle. Eine Bank, bei der sie den Identifizierungsprozess durchlaufen, den sie dann an anderer Stelle nicht aufwendig wiederholen wollen.
Die spielentscheidende Frage lautet nun: Wem vertrauen die Bürger ihre digitale Identität an? Hinterlegen sie Bankverbindung und Personalausweis beim anonymen Cloud-Anbieter – oder doch lieber bei der Hausbank? Darauf setzt Markus Pertlwieser, der Deutsche-Bank-Manager: „Zu uns haben die Leute ein weit größeres Vertrauen als zu Social-Media-Netzwerken oder reinen Onlinefirmen.“ Wer sich durchsetzen will, glaubt er, braucht eine starke Marke und regen Kundenverkehr. „Von beidem haben wir mehr als jeder Neuling“, sagt Pertlwieser.
„Die wirklich mächtigen Wettbewerber für uns Banken sind nicht Fintech-Startups, sondern die großen IT-Konzerne aus Kalifornien.“ Allenfalls eine Handvoll junger Firmen aus der Finanzbranche wird irgendwann relevant, sagt auch MIT-Forscher Geoffrey Parker voraus. „Ihr klassisches Schicksal ist es, von etablierten Spielern aufgekauft zu werden.“
Quelle: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 23.04.2017, Autoren: Georg Meck und Bettina Weiguny. © Frankfurter Allgemeine Zeitung. Alle Rechte vorbehalten. Zur Verfügung gestellt vom Frankfurter Allgemeinen Archiv.
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