Julia Schäfer

Alles begann mit der Biene: Wie Schwartau Standards für regenerative Landwirtschaft setzt

Ausgelaugte Böden, zu viel Dünger, kaum noch Bestäuber – keine guten Voraussetzungen für ein Unternehmen, das seit über 125 Jahren für fruchtigen Geschmack steht. Die Schwartauer Werke, bekannt für Konfitüren und Fruchtaufstriche, haben die Herausforderung früh erkannt – und gehandelt.

Früher Morgen in der Obstplantage. Zwischen den Reihen piepst ein Sensor, auf dem Handy des Betriebsleiters blinkt die App: Heute reicht die Feuchtigkeit aus, die Bäume müssen nicht bewässert werden. So wird Wasser gespart - die Ernte bleibt gleich. Eine von vielen kleinen Maßnahmen, die in Summe viel bewegen.

Statt abzuwarten, wie Klimawandel und Artensterben die eigene Produktion beeinträchtigen, hat das mittelständische Unternehmen aus Schleswig-Holstein bereits 2014 angefangen, nachhaltiger zu produzieren: Gemeinsam mit Partnerbetrieben hat es neue Methoden getestet und schrittweise in die Produktionskette gebracht – von präziser Bewässerung bis zu bodenschonenden Anbautechniken.

Dass Schwartau inhabergeführt ist, hilft: Wege sind kurz, Entscheidungen schnell, Pilotprojekte werden zügig in den Alltag überführt. So wird Regeneration von Böden und Natur nicht zur Zusatzaufgabe, sondern Teil des Geschäfts – mit Blick auf Nährstoffgehalt, Wasser und Artenvielfalt.

Julia Schäfer ist Nachhaltigkeitsmanagerin bei den Schwartauer Werken. Wir sprechen mit ihr darüber, wie aus Haltung handfeste Maßnahmen werden und warum frühes Gegensteuern sich lohnt.

Bee careful blühende Obstplantagen

Julia Schäfer, warum hat Schwartau schon so früh auf regenerative, zirkuläre und biodiversitätsfördernde Landwirtschaft gesetzt?

Unsere frühe Entscheidung fußt auf einem klaren Selbstverständnis: Wir sind als Lebensmittelherstellerin direkt von gesunden Ökosystemen abhängig. Schon mit dem Start unserer Bienenschutz-Initiative „bee careful“ vor über zehn Jahren haben wir den Zusammenhang zwischen Artenvielfalt, Bodenfruchtbarkeit und Produktqualität konsequent in unsere Unternehmensstrategie integriert. Der Anstoß kam auch durch die Erkenntnis, dass wir als Mittelständlerin schneller und flexibler reagieren können als große Konzerne – und diese Chance wollten wir nutzen. Bereits damals war uns bewusst: Nur wenn wir die Natur als Partnerin begreifen, sichern wir langfristig Qualität und Versorgung.

Wir möchten der Natur mehr zurückgeben, als wir ihr wegnehmen.
Julia Schäfer

Gab es einen Schlüsselmoment, in dem klar wurde: Wir gehen diesen Weg?

Den gab es tatsächlich schon im Jahr 2014 – damals haben wir bee careful gestartet. Das war mehr als Symbolik; es war Ausdruck einer klaren Entscheidung – getragen von der Geschäftsleitung gemeinsam mit Expert*innen aus Forschung und Landwirtschaft. Seitdem sind Nachhaltigkeit und Biodiversität integraler Teil unserer Unternehmensstrategie. Wir folgen dem Prinzip: den Schutz unserer Erde, Qualität und ökonomische Tragfähigkeit in Einklang bringen. Wir möchten der Natur mehr zurückgeben, als wir ihr wegnehmen.

Schwartau ist heute weiter als viele andere Unternehmen. Warum?

Wir betrachten Nachhaltigkeit nicht als Werbemittel oder kurzfristigen Marketingtrend, sondern als Kernelement unserer Wertschöpfung. Auf ihr basieren alle unsere Werte. Wir verstehen uns als Familienunternehmen, für das strategischer Weitblick ein entscheidender Wettbewerbsfaktor ist: Wir denken ganzheitlich – ökonomisch, ökologisch und sozial.

Unsere Nachhaltigkeitsstrategie steht auf vier Säulen: verantwortungsvolle Beschaffung, effiziente und umweltverträgliche Produktion, besseres Produktdesign und eine engagierte Gemeinschaft. Genau das spüren wir auch bei unseren Mitarbeiter*innen: Die Verantwortung gegenüber Natur und Gesellschaft – und die Freude an der Innovation. So haben wir den Mut, immer wieder neue Wege zu gehen.

Wasser effizient zu nutzen ist in der Landwirtschaft ein wichtiges Thema. Sie haben in Spanien ein bahnbrechendes Projekt gestartet. Den Wasserverbrauch senken, ohne die Produktivität zu beeinträchtigen – ist das überhaupt möglich?

Unser Wasserschutz-Projekt im spanischen Aprikosenanbau war anfangs erklärungsbedürftig. Es arbeitet mit Echtzeit-Sensorik und wird per App gesteuert. Intern mussten wir zeigen, dass die Investition zu konkreten Einsparungen führt. Extern war Überzeugungsarbeit nötig, dass Technologie und traditioneller Anbau zusammenpassen. Aus diesem Grund haben wir mit der Polytechnischen Universität von Cartagena und landwirtschaftlichen Partner*innen in Spanien eng und auf Augenhöhe zusammengearbeitet. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Wir haben 33 Prozent weniger Wasserverbrauch bei gleicher Produktivität. Das ist ein überzeugendes Argument, das dem Projekt sowohl intern als auch extern Zustimmung brachte.

Wir möchten zeigen: Biodiversität ist keine Kostenfalle, sondern Investition. Besonders wichtig ist, einfach anzufangen. Julia Schäfer
Bee careful Aprikosenbaum

Was war die größte Hürde bei dem Ziel, eine regenerative Landwirtschaft einzuführen – und wie haben Sie sie überwunden?

Die größte Herausforderung war, Landwirt*innen für neue Methoden wie Blühstreifen, Zwischenfruchtanbau oder Pflanzenkohle zu gewinnen. Überzeugt haben wir mit starken Partner*innen wie dem Global Nature Fund, gemeinsamer Erfolgsmessung und klarer Kommunikation, dass Biodiversität auch ökonomische Stabilität schafft – etwa durch höhere Fruchtbarkeit der Böden und Resilienz gegenüber Wetterextremen.

Minimierung und Wiederverwertung von Abfällen

Auch bei der Produktion geht Schwartau das Thema Umweltschutz beherzt an. Dazu gehört, neben der Nutzung erneuerbarer Energien, auch die Müllreduzierung. Das Ziel: in diesem Sektor – nach dem Motto „Zero Waste“ – gar keinen Abfall mehr verursachen.

Können Sie an einem Beispiel schildern, was Sie konkret für die Böden tun?

Ein spannendes Thema ist zum Beispiel der Einsatz von Pflanzenkohle zur Humusbildung und langfristigen Kohlenstoffspeicherung im Boden. Pflanzenkohle, die durch die Zersetzung von Biomasse entsteht, verbessert die Bodenstruktur, steigert die Fähigkeit zur Wasserspeicherung und fördert das Leben der Bodenmikroben – all das ist ganz im Sinne regenerativer Landwirtschaft. Das erforschen wir und ergänzen dieses Projekt mit Feldversuchen, wissenschaftlicher Begleitung und Schulungen für unsere Landwirt*innen – das ist ein weiterer ganz wichtiger Baustein.

Vor allem bei limitierten Budgets müssen Sie natürlich immer die Ressourcen im Blick behalten. Außerdem mussten wir vor allem intern immer wieder Überzeugungsarbeit leisten.  Ausschlaggebend war eine wasserdichte Kommunikation unserer Erfolge, beispielsweise durch messbare Verbesserungen der Qualität von Böden und Wasser, höhere Biodiversität und stabilere Lieferketten. Und natürlich brauchen Sie die enge Zusammenarbeit mit Landwirt*innen und Expert*innen. So schaffen wir Vertrauen und konkrete Ergebnisse.

Weniger Abfall, weniger CO2: Haferanbau mit Pflanzenkohle

2024 startete ein Pilotprojekt zum Einsatz von Pflanzenkohle im Haferanbau. Biochar (Pflanzenkohle) ist eine kohlenstoffreiche Substanz, die durch die Zersetzung von Biomasse entsteht und zur Bodenverbesserung, Wasserspeicherung und vor allem Bindung von CO₂-Emissionen eingesetzt werden kann.

Im ersten Projektjahr konnten so 35,5 Tonnen CO₂ dauerhaft im Boden gebunden und die Emissionen von 64,5 Tonnen Hafer rechnerisch ausgeglichen werden. Das Projekt und die Ergebnisse werden wissenschaftlich begleitet und extern zertifiziert.

Seit Frühjahr 2025 arbeiten zwei weitere Betriebe mit dieser innovativen Form der CO₂e-Reduktion. Damit verdreifacht sich die Menge an Hafer aus emissionsreduziertem Anbau.

Wie messen Sie den Erfolg Ihrer Maßnahmen und wie profitiert das Unternehmen davon?

Wir haben dafür klare Indikatoren definiert: Insektenfreundliche Flächen, blühende Zwischenfrüchte, Mulchflächen, Nistplätze. 2024 haben wir mithilfe des Biodiversitätskatalogs 111 Hektar blühende Lebensräume, 130 Hektar Zwischenfrüchte, 172 Hektar Mulchflächen und 159 Nistplätze geschaffen. Unsere Partnerbetriebe ziehen mit und die Lieferketten sind dadurch resilienter geworden. Die Anerkennung, die wir erhalten – so haben wir beispielsweise 2025 den CSR-Preis der Bundesregierung bekommen – spüren wir natürlich auch im Unternehmen. Das motiviert unsere Mitarbeitenden.

Agroforst Kakaoplantage

Agroforstwirtschaft im Kakaoanbau in der Elfenbeinküste

Mit dem Agroforst-Projekt im Kakaoanbau schafft Schwartau wertvolle Lebensräume für Flora und Fauna. Agroforstwirtschaft kombiniert den Anbau von Kakaobäumen mit anderen Nutzpflanzen und Bäumen. Dies fördert Biodiversität und Bodengesundheit, optimiert das Mikroklima in der Plantage und kann darüber hinaus Treibhausgase im Boden binden.

Im Rahmen des Projekts hat das Unternehmen den Aufbau von 170 Hektar Kakaoplantagen im Agroforstsystem in der Elfenbeinküste gefördert. Die Maßnahmen kommen nicht nur der Umwelt zugute, sondern stärken auch die lokalen Gemeinschaften, indem sie wirtschaftliche Chancen verbessern und soziale Initiativen vorantreiben. Die Maßnahmen gehen über die Anforderungen der Rainforest Alliance-Zertifizierung für Schokoladenprodukte hinaus und tragen zu einer verantwortungsvollen Beschaffung bei.

Sie sind Teil der Hero-Gruppe, die aus der Schweiz heraus in über 30 Ländern aktiv ist. Greifen die Partnerunternehmen Ihre Initiativen eigentlich auf?

Ein klares Ja – wir teilen unsere Pilotprojekte, Daten und Erfolgsmodelle konzernweit. So können wir das Water-Stewardship-Programm, das Agroforstprojekt in Afrika und das Pflanzenkohle-Projekt künftig auch in anderen Regionen und Rohstoffketten anwenden.

Ihr Unternehmen hat viel bewegt. Verstehen Sie sich als Vorbild für die Branche?

Definitiv. Wir möchten zeigen: Biodiversität ist keine Kostenfalle, sondern Investition – und auch kleine bis mittlere Unternehmen können diesen Wandel vollziehen. Konkrete Elemente wie unser Biodiversitätskatalog, oder die genannten Programme Water Stewardship oder Agroforst sollen Vorbild sein. Uns ist besonders wichtig, einfach anzufangen.

Mitglied bei der „Sustainable Agriculture Initiative“ (SAI)

Über die Muttergesellschaft Hero-Gruppe sind die Schwartauer Werke Mitglied der Sustainable Agriculture Initiative Platform. Die SAI-Plattform ist die führende globale Initiative zur Förderung regenerativer landwirtschaftlicher Praktiken und umfasst ein Netzwerk der weltweit größten Lebensmittel-, Getränke- und Agrarunternehmen.

Gibt es Rückmeldungen aus der Landwirtschaft, spüren Sie eine Sogwirkung?

Ja! Landwirt*innen erleben die Vorteile in Bodenqualität, Ertragssicherheit und Wertschätzung ganz unmittelbar – wir fördern dabei vorrangig kleine, inhabergeführte Betriebe, das würdigt auch der schon erwähnte CSR-Preis besonders. Wir sehen außerdem, dass NGOs wie beispielsweise der Global Nature Fund und auch regionale Organisationen wie die Bodensee Stiftung sich immer engagierter an Initiativen wie Streuobstwiesenprojekten beteiligen.

Wenn wir in fünf Jahren auf 2025 zurückblicken: Was wäre der schönste Beweis, dass das Unternehmen die richtigen Entscheidungen getroffen hat?

Ein Beispiel wäre: Bei all unseren Lieferbetrieben würde flächendeckend regenerativer Anbau betrieben, in der gesamten Hero-Gruppe hätten sich Sensorik- und Biodiversitätsstandards etabliert, und die Erfolgszahlen für Umwelt und Wirtschaft sind noch überzeugender als heute. Am wichtigsten wäre mir ein gesundes, vielfältiges Ökosystem voller Blüten, Insekten und fruchtbarer Böden. Dann wäre klar: Die mutigen Entscheidungen von heute waren goldrichtig.

Diese Seite wurde im Oktober 2025 veröffentlicht. 

Schwartauer Werke und die Deutsche Bank

Schwartauer Werke und die Deutsche Bank – eine gute Partnerschaft seit vielen Jahrzehnten. Die Verbindungen bestehen auf allen Ebenen, nicht nur nach Bad Schwartau, sondern ebenso zur Muttergesellschaft, der Hero AG, in die Schweiz und anderen Tochtergesellschaften in anderen Ländern wie auch zu den Eigentümern. Dabei wurden eine Reihe von wichtigen Projekten zur Weiterentwicklung der Gruppe gemeinsam umgesetzt.

Neben der Begeisterung für die Produkte der Schwartauer Werke wie auch der Hero-Gruppe war vor allem auch die vertrauensvolle und langjährige Zusammenarbeit der Schlüssel für den Erfolg.  

Schwartau Julia Schäfer und Landwirt auf einem Erdbeerfeld

Über Julia Schäfer

Die studierte Betriebswirtin (mit den Ergänzungen strategisches Nachhaltigkeitsmanagement und betriebliches Umweltmanagement) stieg 2022 bei den Schwartauer Werken als Managerin für Nachhaltigkeit ein. Dort baute sie eine Organisationsstruktur für Nachhaltigkeitsmanagement auf und definierte Prioritäten, Ziele und Initiativen. Außerdem entwickelte sie eine konzernweite Biodiversitätsstrategie.

Sie verantwortet das Nachhaltigkeits-Reporting, ESG-Ratings sowie die Nachhaltigkeitskommunikation mit externen Geschäftspartner*innen.

Julia Schäfer brachte 15 Jahre Berufserfahrung im Marketing und Produktmanagement der FMCG-Industrie mit Fokus Nahrungs- und Genussmittel mit.

Schwartau Marmelade Toast Herzen

Über die Schwartauer Werke

Schon seit 1899 gibt es die Schwartauer Werke mit Firmensitz in Bad Schwartau, Schleswig-Holstein. Hier produziert das Unternehmen mit über 1.000 Mitarbeitenden an drei Standorten Fruchtprodukte und Snacks für den Lebensmitteleinzelhandel und die Gastronomie. 

Nachhaltigkeit spielt für das Unternehmen eine zentrale Rolle: „Wir finden, dass jede*r im Kleinen und im Großen etwas bewegen kann und sollte. Oder wie man bei uns im Norden sagt: Wat mutt, dat mutt.“

Maike Tippmann

Maike Tippmann

... hat augenblicklich Erdbeergeschmack auf der Zunge, wenn sie den Namen Schwartau hört. Mit Besorgnis beobachtet sie im eigenen Garten, wie von Jahr zu Jahr weniger Bienen unterwegs sind. Umso begeisterter war sie, als sie erfuhr, wie konsequent die Schwartauer Werke auf regenerativen Anbau setzen.

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