Wolf von Wendorff verantwortlich für Global Digital Solutions bei Claas

Claas: Sensorik statt Schweiß

Im Innovationszentrum „Greenhouse“ am Stammsitz Harsewinkel – dem Ort, an dem Claas neue Produkte mit Kunden erprobt – erklärt Wolf-Christian von Wendorff, verantwortlich für Global Digital Solutions, wie Sensorik, Daten und Autonomie den Acker schonen – und warum 1,5 Zentimeter über den Ernteertrag entscheiden.

Wolf, Claas wird seit Generationen mit Erntetechnik verbunden – wofür steht das Unternehmen 2025 ganz konkret?

Für Präzisionslandwirtschaft aus einem Guss. Wir bauen nicht nur Maschinen, sondern liefern auch das System und die Steuerung dahinter. Digitalisierung fing bei uns übrigens schon 1972 an – vor mehr als 50 Jahren. Unsere Kunden sind bereits seit Jahren Vorreiter im Bereich der Digitalisierung. Ich denke hier an Precision Farming oder auch Melkroboter, weit vor dem flächenmäßigen Einsatz in der Industrie. Mit „Claas connect“ vernetzen wir heute die gesamte Landmaschinen-Flotte, von Mähdreschern und Feldhäckslern über Traktoren bis hin zu Anbaugeräten. Die Betriebe arbeiten damit dann zentimetergenau, schonen Ressourcen und sichern Erträge.

Wolf und Timo im Gespräch
Früher behandelte man eine Fläche überall gleich, heute per Satellit auf den Zentimeter genau.

Was leistet Präzisionslandwirtschaft auf dem Feld?

Früher behandelte man eine Fläche überall gleich, heute per Satellit auf den Zentimeter genau. Das heißt: Es gibt viel weniger Überlappungen beim Säen, Spritzen und Düngen. Unsere Maschinen können eine Fahrspur auf dem Feld bis auf 1,5 Zentimeter genau halten. Das spart Saatgut, Wasser und andere Betriebsmittel – und gibt jeder Pflanze den Platz, den sie braucht. 

Und wie wird entschieden, wo gedüngt wird und wo nicht?

Wir erstellen sogenannte Applikationskarten, die mehrere Datenquellen zusammenführen: Satellitenbilder und Drohnendaten zur Vegetationsentwicklung, Vorjahreserträge, Bodenkarten, Höhenprofile. Der Betrieb kann damit erkennen, wo düngen sinnvoll ist und wo nicht. Ein Beispiel: Auf einem Hügel wächst weniger. Oft fehlt dort Wasser, nicht Stickstoff und das bedeutet: weniger düngen. Die Karten werden aus Claas connect digital an die Maschinenterminals übertragen und die Betriebsmittel bedarfsgerecht ausgebracht.

Maschinen autonom auf dem Acker – wie organisiert man das?

Das muss natürlich gut geplant und vorbereitet werden. Welches Betriebsmittel will ich ausbringen, wie stelle ich die Maschine richtig dafür ein, welches Feld will ich wann befahren. Die Maschine erkennt Hindernisse, umfährt sie, trifft Entscheidungen und liefert Erfahrungsdaten zurück – daraus entsteht ein Kreislauf aus Einsatz, Auswertung und Verbesserung, der zur vollständig autonomen Feldarbeit führt.

Das Interview mit Wolf-Christian von Wendorff im 360 Grad Video

Was können Ihre Maschinen noch?

Unser elektronisches Maschinenoptimierungssystem „CEMOS Automatic“ passt sich während dem Befahren des Feldes präzise an die Gegebenheiten an. Das entlastet den Fahrer und reduziert auch dadurch Fehler. Man arbeitet effizienter, nachhaltiger und vor allem ressourcenschonender. Der nächste Schritt ist die Autonomie: Maschinen arbeiten allein – geplant auf Basis umfangreicher und vielfältiger Daten, ortsunabhängig überwacht und vernetzt mit Betrieb und Maschinen.

Wolf-Christian von Wendorff und Timo Bergold im Gespräch
Wir haben nur eine Welt, auf der wir leben und die uns alle ernährt. 

Stichwort KI: Für Sie lediglich ein Modewort oder schafft sie Mehrwert?

Wie eben beschrieben ist die Digitalisierung der Landwirtschaft bereits unglaublich weit. KI ist für uns das „next big thing”. Sie verarbeitet große Mengen an Daten: Wetter, Boden, Feldhistorie, Satellitenbilder, Erfahrungen, Markt und Anbauprogosen, um wichtige Beispiele zu nennen. Damit können wir unsere Kunden unterstützen, noch besser zu entscheiden, was gut für das jeweilige Feld ist.

Gegenwärtig können wir für immer kleinere Flächen genau bestimmen, wie wir sie bearbeiten. Schon bald können wir das bis auf die einzelne Pflanze herunterbrechen: Sensoren erkennen, was jede Pflanze braucht – Dünger, Pflanzenschutz oder auch keine Maßnahme. Unkraut wird mechanisch oder punktgenau per Laser bekämpft. Das erfordert sehr, sehr präzises Arbeiten – teilweise auch sehr langsames Arbeiten, das ist ohne Autonomie kaum zumutbar. KI entscheidet situativ, die Maschine setzt um. 

Mit Blick auf den Klimawandel und knappe Ressourcen – was leistet die Technik?

Wir haben nur eine Welt, auf der wir leben und die uns alle ernährt. Unsere Ressourcen gilt es daher maximal effizient einzusetzen und unsere Technik trägt wie beschrieben dazu bei. Die Landwirte können damit den Ertrag pro Quadratmeter steigern, verbrauchen weniger Wasser, Dünger, Spritzmittel und auch Diesel.

Noch ein Beispiel ist unser Raupenlaufwerk TERRA TRAC: Es verteilt das Gewicht der Maschine auf eine größere Fläche, so dass der Boden weniger belastet und verdichtet wird. Mit vorausschauender Wartung können wir Stillstand verringern und wenn doch einmal etwas hakt, hilft die Ferndiagnose.

Kurz: mehr Hektar pro Tag, weniger Input pro Hektar, besserer Ertrag pro Einsatz.

Technik ist das eine, Menschen das andere. Wie arbeiten Sie mit Landwirten zusammen?

Wir sind ein Familienunternehmen und nah an den Betrieben, nicht zuletzt, weil viele unserer Kolleginnen und Kollegen in unserer Belegschaft selbst Landwirte sind. Vor allem über unsere 3.500 Händler haben wir das Ohr ganz dicht an unseren Kunden. Während der Ernte sind die Maschinen rund um die Uhr im Einsatz. Ein Mähdrescher erfordert je nach Ausstattung und Größe eine hohe sechsstellige Investition und arbeitet im Schnitt nur acht Wochen im Jahr – jede Stunde Stillstand ist teuer. Unsere Servicepartner sorgen dafür, dass die Maschine – sollte sie ausfallen – schnell wieder einsatzbereit ist. Dafür können sich unsere Techniker auf Wunsch des Kunden auf die Maschine schalten und das Problem identifizieren.

Sollte es nicht aus der Ferne zu lösen sein, hat der Techniker idealerweise die richtigen Teile schon bei seinem ersten Besuch dabei. Digital vernetzt „Claas connect“ Kunden, Händler und Hersteller – inklusive Feedback-Schleifen. So stellen wir sicher, dass das Feedback der Kunden uns immer sofort erreicht und wir unsere Maschinen oder digitale Lösungen noch besser machen können.

Claas Wolf von Wendorff im Interview
Ein Mähdrescher erfordert je nach Ausstattung und Größe eine hohe sechsstellige Investition und arbeitet im Schnitt nur acht Wochen im Jahr.

Wem gehören die Daten, wer darf sie sehen – und wer nicht?

Europa hat eine der besten Datenschutzgesetzgebungen weltweit, die voll zu unserem Selbstverständnis passt. Die Daten gehören ausschließlich dem Kunden. Zugriff gibt es nur mit Einwilligung und klar definierten Zwecken – gesteuert wird das über „Claas connect“: Der Kunde kann uns die Zugriffsrechte geben, befristen oder wieder entziehen sowie selbst seine Daten exportieren oder löschen. Ohne Freigabe des Kunden gibt es keinen Zugriff. 

Geht Claas über klassische Landtechnik hinaus – sind Vertical Farming, Food-Tech, Start-ups Themen für Sie?

Spannende Felder, aber unser Fokus bleibt: Nahrungsmittel aus natürlichen Ressourcen wie Wasser, Boden, Sonne produzieren. Vertical Farming besetzt Nischen, doch die Welternährung wird es nicht tragen. Wir arbeiten mit dem Start-up AgXeed zusammen, um gemeinsam autonome Landmaschinen zu entwickeln und solche Kooperationen sind uns weiterhin sehr willkommen und wir suchen über unser Programm „SeedGreenInnovations“ aktiv danach. Mit Kooperationen können wir unser Kerngeschäft unterstützen.

Zum Schluss der Blick nach vorn: Wie sehen Sie die Landwirtschaft 2035?

Drei Kräfte prägen den Acker: Robotik, Autonomie, KI. Robotik bringt Präzision ans Werkzeug, Autonomie übernimmt Routinearbeiten, KI bereitet Entscheidungen in der Planung vor und kann sie auch onboard, also unmittelbar beim Maschineneinsatz vor – vom Büro bis aufs Feld. Am Ende zählt Erfahrung in Datenform: Wer heute viele Feldstunden und saubere Datensätze sammelt, gehört 2035 zu den Besten im Feld.

Claas Mähdrescher Dimension

Mähdrescher - Größe im Vergleich

Dieses Interview wurde im Oktober 2025 veröffentlicht.

Claas und die Deutsche Bank: Partnerschaft mit globaler Perspektive

Die „Claas Gruppe“ und die Deutsche Bank verbindet seit den 1950er-Jahren eine langjährige Geschäftsbeziehung, die sich von Europa bis Asien erstreckt. Die Deutsche Bank ist für Claas ein wichtiger Finanzierungs-Partner. Dabei ist das Herzstück eine revolvierende, syndizierte Kreditfazilität, die Claas Flexibilität und Stabilität bietet. Die Deutsche Bank unterstützt Claas zudem mit Lösungen im Devisen- und Cash Management für effiziente Zahlungsströme, professionelle Währungsabsicherung und den Zugang zu internationalen Märkten. Nicht zuletzt unterstützt die Deutsche Bank Claas maßgeblich bei Kapitalmarkttransaktionen.

Portrait  Wolf von Wendorff

Über Wolf von Wendorff

Wolf von Wendorff ist Senior Vice President für Digital Solutions bei der CLAAS Global Sales GmbH. Er hat Argrarwissenschaften studiert und einen MBA absolviert. 

Wolf von Wendorff entwickelt Vertriebs- und Serviceorganisationen weiter, baut agile IT-Strukturen auf und setzt komplexe IT-Projekte um. Er ist zuständig für die Entwicklung der digitalen Sales und Service Lösungen für den Handel als für auch die digitalen Kundenprodukte, mit denen Händler und Kunden einfacher zusammenarbeiten, von besseren Service-Erfahrungen profitieren und ihre Daten gezielt auswerten können.

Claas Traktor

Über Claas

Das 1913 gegründete Familienunternehmen Claas (www.claas.com) ist einer der weltweit führenden Hersteller von Landtechnik. Das Unternehmen mit Hauptsitz im westfälischen Harsewinkel ist Weltmarktführer bei Feldhäckslern und europäischer Marktführer bei Mähdreschern. Auch mit seinen Traktoren, landwirtschaftlichen Pressen und Grünland-Erntemaschinen gehört das Unternehmen zur Weltspitze. Zur Produktpalette gehört ebenfalls modernste landwirtschaftliche Informationstechnologie. Claas beschäftigt 12.000 Mitarbeiter weltweit und erzielte im Geschäftsjahr 2024 einen Umsatz von 5 Milliarden Euro.

Timo Bergold

Timo Bergold

... arbeitet normalerweise an globalen Kommunikationsprojekten und unterstützt die Finanzkommunikation der Deutschen Bank. Für das Interview bei Claas jedoch wechselte er die Perspektive – und tauchte ein in die Welt der digitalen Landwirtschaft. Innovation und Praxis hautnah zu erleben, war für ihn eine inspirierende Erfahrung.

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