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2. März 2018
Im Büro von Frank Strauß steht in Lebensgröße das Abbild der indischen Tennisspielerin Sania Mirza. Die Sportlerin warb einst für die Deutsche Bank, als Strauß für die Frankfurter in Asien das Privatkundengeschäft aufbaute. Der etwas ausgeblichene Pappaufsteller hat Symbolwert. Bei der Deutschen Bank startete Strauß seine Karriere, nach sieben Jahren an der Spitze der Postbank geht es jetzt wieder zurück in den Schoß der Mutter. Die Deutsche Bank wird die Bonner Tochter voll integrieren.
Herr Strauß, die Renditen an den Anleihemärkten sind zuletzt deutlich gestiegen. Müssen die Kreditkunden der Postbank eine Zinswende befürchten?
Auf der Zinsseite sind wir an einem Punkt, der wichtig ist. Die kurzfristigen Zinsen werden sicher noch lange niedrig bleiben, aber am langen Ende beginnen sie zu steigen. Bei der Baufinanzierung hat sich das längst niedergeschlagen, da beginnen die Zinskonditionen langsam zu steigen.
Wer einen Hausbau finanzieren will, muss sich also auf höhere Kosten einstellen?
Wer sich demnächst langfristig für zehn bis 15 Jahre zu festen Zinsen Geld leihen will, wird in den nächsten Monaten sicherlich kontinuierlich leichte Zinssteigerungen sehen. Das bewegt sich aber in einem Rahmen, der historisch gesehen noch immer als Niedrigzinsphase gilt.
Wird das Ihr Baufinanzierungsgeschäft bremsen?
Das sehe ich nicht so. Das Thema Eigenheim und Mietwohnungsbau spielt ja sogar auf der politischen Bühne eine wichtige Rolle. Und wenn die Zinsen von 0,80 auf 1,20 Prozent steigen, ist die Anlage in Immobilien noch immer attraktiv, wenn Sie das richtige Objekt finden. Deshalb sehe ich keine große Bremswirkung, womöglich im Gegenteil: In der Anfangsphase könnte es sogar noch einmal für mehr Geschäft sorgen, wenn die Kunden merken, dass die Zinsen nicht nur eine Richtung kennen - nämlich nach unten.
Kommt die Zinswende genau rechtzeitig, um den leidgeprüften deutschen Banken zu helfen?
Die Banken haben ihr Geschäftsmodell auf sehr niedrige Zinsen ausgerichtet und werden dann von einem Anstieg profitieren. Das gilt auch für die Deutsche Bank und die Postbank. Da wird man in Deutschland auf einmal eine andere Profitabilität sehen. Wir erzielen jetzt schon im Niedrigzinsumfeld bei der Postbank eine Rendite von mehr als acht Prozent, zumindest wenn man Sonderfaktoren herausrechnet. Wenn wir alle geplanten strategischen Maßnahmen umgesetzt haben und die Zinsen steigen, sind deutlich höhere Renditen möglich. Das sieht dann auch im internationalen Vergleich gar nicht so schlecht aus.
Wenn man sich die Zahlen vieler Geldhäuser anschaut, fragt man sich, ob man in Deutschland als Bank überhaupt nachhaltig Geld verdienen kann?
Unsere Ergebnisse zeigen, dass das geht. Deutschland kämpft zwar mit einigen strukturellen Nachteilen wie dem stark fragmentierten Bankenmarkt. Das erschwert es, Größenvorteile zu erzielen. Man darf in Deutschland aber auch nicht die gute Konjunkturlage vergessen. Das führt zu niedrigen Risikokosten. Man kann als Bank in Deutschland durchaus Geld verdienen.
Vor Kurzem haben Sie die letzten Jahreszahlen der Postbank als selbstständige Einheit vorgestellt. Macht Sie das wehmütig?
Wenn sich Dinge verändern, die gut funktioniert haben, dann schwingt neben der Freude auf die Zukunft sicher auch ein bisschen Wehmut mit. Das ist, glaube ich, nur menschlich. Jetzt gibt es aber eine neue, sehr spannende Herausforderung für die Postbank.
Ursprünglich sollte die Postbank an die Börse gehen. Wären Sie nicht lieber Vorstandschef einer selbstständigen Großbank?
Die Frage stellt sich ja nicht mehr. Wir sind stolz auf das Programm, das wir uns in der Postbank vorgenommen und umgesetzt haben. Ohne Integrationskosten haben wir unseren Vorsteuergewinn deutlich gesteigert, auch den Provisionsüberschuss. Die Deutsche Bank hat sich aus ihrer Sicht völlig nachvollziehbarerweise dafür entschieden, von der Postbank nicht nur einmalig durch einen Börsengang zu profitieren, sondern dauerhaft durch die Zusammenführung. Deshalb ist es gut so, wie es jetzt ist. Auch weil wir die Strategie, die wir im Oktober kommuniziert haben, gemeinsam erarbeitet hatten.
So lupenrein positiv war das Ergebnis der Postbank aber auch nicht. Die Gesamterträge und der Zinsüberschuss sind gesunken, nur beim Provisionsergebnis ging es deutlich nach oben.
Wir sind zufrieden. Wenn man die Kosten für die Integration herausrechnet, sind wir mit einer Rendite von über acht Prozent sogar in der Nähe unserer Eigenkapitalkosten.
Der höhere Provisionsüberschuss hat auch etwas mit der Abschaffung der Gratiskonten zu tun. Wie viele Konten haben Sie 2017 durch die Abschaffung Ihrer Gratisangebote verloren?
Durch die Einführung moderater Kontoentgelte ist unser Girokonto wesentlich rentabler für uns geworden. Und wir haben 2017 mit knapp zwei Prozent deutlich weniger Kunden verloren, als wir befürchtet hatten. Seit dem vierten Quartal 2017 sehen wir auch wieder netto einen leichten Aufschwung bei den Neukunden. Die Summe unserer Einlagen ist übrigens selbst im zweiten und dritten Quartal gewachsen. Das ist ein Indiz dafür, dass die Kunden, die uns treu geblieben sind, auch diejenigen sind, die viel Geschäft mit uns machen.
Ihre Eigenkapitalrendite lag 2017 bei 4,7 Prozent. Das ist zwar weit von den besten europäischen Konkurrenten entfernt, aber besser als das Investmentbanking der Deutschen Bank und das Privatkundengeschäft des Konzerns insgesamt. Ist die Postbank die bessere Deutsche Bank?
Ganz sicher nicht. Die Deutsche Bank hat bei aller Kritik in den vergangenen Jahren große Fortschritte gemacht. 2017 hat die Bank erstmals seit drei Jahren wieder vor Steuern einen Milliardengewinn erreicht. Die Kosten sind besser unter Kontrolle, das Kapital wurde gestärkt, und die Rechtsrisiken wurden deutlich reduziert. Und auch das Privat- und Firmenkundengeschäft der Deutschen Bank hat eine ähnlich positive Entwicklung genommen wie die Postbank.
Unter dem Strich stand aber der dritte Jahresverlust in Folge. Vor allem die Investmentbanker hatten Probleme, Geld zu verdienen. Trägt die Strategie noch, die Bank als führende europäische Investmentbank zu positionieren?
Unsere Strategie ist richtig. Unser Ziel ist es, die führende europäische Unternehmerbank mit einem globalen Netzwerk zu sein. Genau da liegen die Wurzeln der Deutschen Bank, und genau das wollen unsere Firmenkunden auch. Dafür ist das Investmentbanking ein ganz zentraler Baustein. Wenn wir Erfolg haben wollen, dann müssen am Ende alle drei Bereiche, die Privat- und Firmenkundenbank, die Unternehmens- und Investmentbank und die DWS, also unsere Vermögensverwaltung, funktionieren.
Haben Sie die deutlichen Kursverluste nach Vorstellung der Jahreszahlen der Deutschen Bank Anfang Februar erschreckt?
Erschreckt sicher nicht. Wir haben immer betont, dass die Transformation der Bank mehrere Jahre dauern wird. Wie bereits gesagt, haben wir deutliche Fortschritte gemacht, aber der Weg ist noch nicht zu Ende. Mit wichtigen Projekten wie der Integration unseres Bereichs oder dem Börsengang der DWS geht es voran. Am wichtigsten ist aber, dass die Bank wieder wächst.
Den Beweis dafür wollen einflussreiche Aktionäre noch im ersten Quartal sehen. Wird Ihr Bereich dazu beitragen, diese Erwartungen zu erfüllen?
Die Postbank entwickelt sich im Rahmen unseres langfristigen Plans positiv weiter. Das gilt sowohl für das Zinsgeschäft als auch für das Provisionsgeschäft. Alles in allem stimmt uns der Jahresstart optimistisch, wir sind zufrieden. Und auch im Privat- und Firmenkundengeschäft der Deutschen Bank sind wir positiv gestartet.
Sie haben ein freiwilliges Vorruhestandsangebot für 1 000 Mitarbeiter auf den Weg gebracht. Bleibt es dabei, oder wollen Sie noch einmal aufstocken, um langfristig mehr zu sparen?
Wir streben durch die Integration der Postbank langfristig Synergien von 900 Millionen Euro an. Dabei ist das von Ihnen angesprochene Programm nur eine Facette. Alle anderen Maßnahmen werden wir genauso, wie wir es in einem Eckpunktepapier vereinbart haben, mit unseren Mitarbeitervertretern besprechen. Was die Kosten angeht, haben wir ja sowohl in der Postbank als auch im Privat- und Firmenkundengeschäft der Deutschen Bank in den vergangenen Jahren einiges erreicht, nicht nur bei den Personalkosten. Diese Entwicklung werden wir systematisch vorantreiben.
Wie erklären Sie Ihren Mitarbeitern die über eine Milliarde Euro an Boni, die die Deutsche Bank ausschütten will, unter anderem als Halteprämie für die Investmentbanker?
Für 2016 hat die Bank in einer Sondersituation die variable Vergütung über alle Bereiche hinweg deutlich gekürzt. Für 2017 haben wir versprochen, wiederum für alle Bereiche, dass wir zu einer branchenüblichen Vergütungsstruktur zurückkehren. Genau das passiert jetzt. Das verstehen auch die Mitarbeiter im Privatkundengeschäft und in der Postbank, weil viele von ihnen auch eine individuelle erfolgsabhängige Vergütung erhalten.
Das werden Sie auch sehen, wenn wir die konkreten Zahlen am 16. März veröffentlichen. Trotzdem habe ich Verständnis für die öffentliche Diskussion zur variablen Vergütung, weil es sich um ein sehr sensibles Thema handelt. Aber wir müssen auch sicherstellen, dass unsere Bank zukunftsfähig bleibt.
Wie wird denn die künftige Arbeitsteilung zwischen Postbank und Deutscher Bank aussehen?
Wir werden auch in Zukunft an zwei selbstständigen Marken festhalten. Aber am Ende wird es für jedes Produkt nur einen dahinterstehenden Prozess geben. Über die genaue Aufteilung werden wir noch entscheiden. Aber man kann sich zum Beispiel leicht ausrechnen, dass die Deutsche Bank beim Wertpapiergeschäft mehr Erfahrung hat - und für die Postbank dürfte das Gleiche für das Ratenkreditgeschäft gelten.
Anstelle eines Börsengangs müssen sich Ihre Mitarbeiter also auf den Wegfall ganzer Aufgabenfelder einstellen. Trübt das die Stimmung?
Veränderungen führen immer dazu, dass manche Mitarbeiter unzufrieden sind. Wir haben in den vergangenen drei Jahren auch in der Postbank in Summe schließlich sozial verträglich 1 700 Stellen abgebaut. Aber wenn man den Mitarbeitern solche Entscheidungen erklärt und zeigt, dass rationale Gründe dahinterstehen, dann ziehen sie mit. Und wer welches Thema zukünftig besetzt, wird ein klarer, gemeinsamer Prozess entscheiden.
Bislang haben wir die Mitarbeiter auch gut mitgenommen, wie unsere Mitarbeiterumfrage im vierten Quartal 2017 gezeigt hat. 2016 war die Stimmung bereits auf ein Rekordhoch gestiegen. Nach der Absage des Börsengangs und mitten in der Integration hat der Wert dann sogar noch einmal um einen Punkt zugelegt.
Konkurrenten glauben, dass 90 Prozent der Prozesse einer Filialbank automatisiert werden können und dass 50 Prozent der Mitarbeiter überflüssig werden. Was bedeutet das für Ihre Bank?
Solche Zahlen sind immer sehr plakativ. Aber es ist unbestritten, dass unsere Branche ihre Kapazitäten anpassen muss. Bei der Deutschen Bank und der Postbank haben wir in den vergangenen Jahren schon Tausende Stellen abgebaut. Wir werden unsere Ressourcen auch weiter anpassen. Das ist die Folge der inhaltlichen Veränderungen in unserem Geschäft und der Kundenpräferenzen.
Vor ein paar Jahren hat es bis zu sieben Tage gedauert, ein Konto zu eröffnen, jetzt geht das innerhalb von wenigen Minuten. Die Veränderung wird sicher radikal sein, aber sie wird sich als kontinuierlicher Prozess auch über eine Reihe von Jahren hinziehen. Und wir haben unsere Kompetenz bei digitalen Produkten wiederholt unter Beweis gestellt.
Gerade wenn es um die Digitalisierung geht, spielen Größenvorteile eine entscheidende Rolle. Bringen Postbank und Deutsche Bank im zersplitterten deutschen Privatkundengeschäft genügend Gewicht auf die Waage?
Sie haben völlig recht, gerade wegen der Größenvorteile ist die Integration der Postbank strategisch die richtige Entscheidung. Gemeinsam kommen wir auf mehr als 20 Millionen Kunden, das ist schon ein großer Schritt in die richtige Richtung.
Zusammen mit der Commerzbank wären die Größenvorteile noch signifikanter.
Wir wissen natürlich, dass es in Europa noch immer zu viele Banken gibt. Deshalb ist ja die Integration von Postbank und Deutscher Bank so wichtig, aber diesen Schritt müssen wir erst einmal zu Ende gehen. Wir haben immer gesagt, dass dieses Programm drei bis maximal fünf Jahre dauern wird.
Die Deutsche Bank plant eine Digitalbank. Wozu soll das gut sein?
Das Konzept wollen wir bis zum vierten Quartal vorstellen. Gerade dieses Projekt ist sehr wichtig, denn wir gehen davon aus, dass wir es in Zukunft mit Wettbewerbern zu tun bekommen, die nicht aus der Bankenbranche stammen. Einer der Gründe dafür sind die neuen Regeln für den Zahlungsverkehr in der EU, die es Wettbewerbern erlauben, die Kontodaten von Kunden einzusehen. Wertvollere Daten gibt es überhaupt nicht.
Sie fürchten also, dass Internetriesen wie Amazon oder Google Ihnen Konkurrenz machen werden?
Zum Beispiel. Wir glauben, dass wir gegenüber anderen Banken extrem gut aufgestellt sind, aber gerade bei jüngeren Kunden könnten wir es mit neuen Wettbewerbern zu tun bekommen, und deshalb müssen wir uns fragen, wie wir als Bank Ähnliches bieten können wie Amazon oder Google.
Was sollen wir uns konkret darunter vorstellen?
Ich fürchte, da muss ich Sie noch um ein bisschen Geduld bitten.
Herr Strauß, vielen Dank für das Gespräch.
Die Fragen stellten Yasmin Osman und Michael Maisch.
Vita Frank Strauß
Der Banker
Über 300 Spiele absolvierte Strauß als Profi-Eishockeyspieler und
brachte nebenher eine Ausbildung bei der Deutschen Bank hinter sich. 2011
wechselte er zur neuen Tochter Postbank und wurde dort Vorstandschef.
Inzwischen sitzt er auch im Vorstand des Mutterkonzerns, verantwortlich für das
Privatkundengeschäft.
Die Bank
2008 startete die Deutsche Bank die Übernahme der Postbank. 2015
entschieden die Frankfurter, sich wieder von der Tochter zu trennen - am
liebsten über einen Börsengang. 2017 folgte die Kehrtwende. Jetzt wird die
Postbank voll in den Konzern integriert.
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