Nachhaltiges Bauen: Kein Luxus, sondern eine Frage der Reihenfolge
Deutschland steht vor einer doppelten Herausforderung: Wohnungsnot und Klimakrise. Der Gebäudesektor verursacht einen großen Teil der CO₂-Emissionen. Die energetische Sanierung rückt daher noch stärker in den Fokus. Alf Meyer zur Heyde erklärt.
Wie realistisch ist nachhaltiges Bauen für die breite Mitte – und was muss sich ändern, damit es zum Standard wird? Darüber spricht Alf Meyer zur Heyde, Vorstandsmitglied der BHW Bausparkasse und Leiter Nachhaltigkeit der Privatkundenbank Deutschland mit What Next. Wir haben zunächst ein 99-Seconds-Video mit ihm gedreht – kurz, knapp, auf den Punkt. Hier folgt das ausführliche Interview.
Alf, nachhaltiges Bauen gilt als sehr kompliziert, nicht zuletzt die energetische Sanierung. Woran liegt das?
Die meisten scheitern schon ganz am Anfang: Sie wissen schlicht nicht, wo sie beginnen sollen. Der eine denkt an den Heizungsbauer, der andere ans Dach oder die Fenster. Doch nachhaltiges Bauen funktioniert nur mit einem klaren Plan. Am besten erstellt man mit einem Energieberater einen Sanierungsfahrplan. So lassen sich die Maßnahmen priorisieren und mit dem vorhandenen Kapital das beste Ergebnis erzielen. Die richtige Reihenfolge ist entscheidend.
Mit 20 Prozent des Aufwands erreicht man oft schon 80 Prozent der Wirkung.
Selbst wenn dieses Problem gelöst ist, stellt sich für viele die Frage: Kann ich mir das überhaupt leisten?
Nachhaltigkeit ist kein Luxusprojekt. Ein Sanierungsfahrplan, staatlich gefördert, kostet rund 890 Euro. Eine Investition wie ein TÜV oder ein medizinischer Check-up: Danach weiß man, was sinnvoll ist, welche Kosten anfallen und welche Wirkung sich erzielen lässt. Und: Beim Sanieren muss nicht alles auf einmal passieren, es ist ein Baukastensystem. Mit 20 Prozent des Aufwands erreicht man oft schon 80 Prozent der Wirkung. Wer mehr investieren kann, geht weiter – wer weniger hat, konzentriert sich auf die effizientesten Schritte.
Welche Maßnahmen bringen den größten Effekt?
Es gibt keine Standardlösung. Jedes Gebäude ist anders – Baujahr, Bauart, Zustand. Ein häufiger Fehler: Die Heizung wird ausgetauscht, bevor das Haus gedämmt ist. Wer erst eine große Wärmepumpe einbaut und danach dämmt, hat am Ende eine überdimensionierte Anlage. Deshalb gilt: Erst das Gebäude als Ganzes betrachten, dann gezielt investieren.
Und wenn das Budget sehr klein ist?
Dann helfen die Klassiker: Fenster und Türen abdichten, Heizkörper richtig einstellen, einen hydraulischen Abgleich machen. Auch das eigene Verhalten zählt: Stoßlüften statt Dauer-Kipp, Heizungen richtig regeln. Oft bringen schon diese kleinen Schritte spürbare Effekte.
Was müsste sich politisch und gesellschaftlich ändern, damit nachhaltiges Bauen zur Normalität wird?
Im Neubau sind die Standards schon sehr hoch – vielleicht sogar zu hoch. Viel Geld fließt in ohnehin effiziente Gebäude. Der Schlüssel liegt im Bestand: Die meisten Häuser, die wir noch Jahrzehnte nutzen, stehen längst. Mit denselben Mitteln ließe sich dort deutlich mehr erreichen. Dafür braucht es Fördermittel, die genau an diesen Punkten ansetzen – dort, wo kleine Schritte große Wirkung haben.
Die Politik muss verlässliche Rahmenbedingungen schaffen: CO₂-intensive Energien teurer machen, Strompreise wettbewerbsfähig halten.
Und was kann die Deutsche Bank beitragen?
Die Politik muss verlässliche Rahmenbedingungen schaffen: CO₂-intensive Energien teurer machen, Strompreise wettbewerbsfähig halten. Wir als Deutsche Bank helfen bei der Finanzierung, aber längst nicht nur: Mit unserem Beratungsuniversum begleiten wir unsere Kunden von Anfang ihres Bau- oder Sanierungsprojekts an – gemeinsam mit Partnern, die die passenden Konzepte entwickeln. Wir sind keine Experten für alles, sondern Netzwerker. Wir verschaffen den Zugang zu den jeweiligen Fachleuten.
Gibt es Länder, von denen wir lernen können?
Ja, besonders von den nordischen. In Norwegen, Schweden oder Finnland sind Wärmepumpen längst Standard – trotz kalter Winter und vieler Altbauten. Schon 2005 lag die Installationsquote, auf die Bevölkerung gerechnet, auf unserem heutigen Zielniveau. Der Unterschied: Dort gibt es seit Jahren verlässliche und niedrige Strompreise.
Wenn du einen Wunsch frei hättest: Was müsste jetzt passieren, damit nachhaltiges Bauen in Deutschland Fahrt aufnimmt?
Die Vorteile müssen spürbar werden und greifbar sein. Ich freue mich jeden Morgen, wenn die Sonne mein warmes Duschwasser erwärmt hat. Oder nimm Hauseigentümer, die nach der Installation einer Photovoltaik-Anlage stolz ihre App öffnen und ihren eigenen Energiekreislauf sehen. Je besser wir solche positiven Erlebnisse kommunizieren, desto selbstverständlicher wird nachhaltiges Bauen.
Diese Seite wurde im November 2025 veröffentlicht.
Über Alf Meyer zur Heyde
Alf Meyer zur Heyde ist ein langjähriger Bankmanager und Experte für nachhaltige Finanzlösungen. Seit Januar 2025 ist er Mitglied des Vorstands der BHW Bausparkasse AG und verantwortet dort das Ressort Vertrieb.
Zugleich ist Meyer zur Heyde Bereichsvorstand für Baufinanzierung und Nachhaltigkeit bei der Deutschen Bank. Zuvor leitete er dort den Bereich „Beratung der Zukunft und Nachhaltigkeit“ im Privatkundengeschäft Deutschland und trieb innovative Ideen voran. Seine Karriere begann in der Privatkundenberatung, gefolgt von mehreren Führungspositionen, die ihn schließlich in die Vorstandsebene der BHW führten.
Meyer zu Heyde legt seinen Schwerpunkt darauf, nachhaltige Finanzierungsstrategien zu entwickeln und die Kunden nach modernsten Standards erstklassig zu beraten.
Timo Bergold
… empfand es als echte Herzensangelegenheit, das What-Next-Dossier über nachhaltiges Bauen mitzugestalten: Als Bauherr, der selbst höchste Energieeffizienz anstrebt, verbindet er berufliche Expertise, seine Wurzeln in der BHW Bausparkasse und den privaten Lebenstraum. Nachhaltiges Modernisieren ist für ihn kein Trend, sondern gelebte Zukunft – nah an den Themen, die auch morgen noch zählen.
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