Nachricht 7. März 2019

Besser pendeln – und seltener

Morgens rein in die Stadt, abends wieder raus – und das jeden Tag: Obwohl einige Menschen mittlerweile auch von Zuhause arbeiten, erledigen die meisten ihren Job noch immer im Büro und am Firmensitz. Gewohnt wird hingegen oft am Stadtrand oder auf dem Land. Ursache dafür sind vielfach das knappe Wohnungsangebot in den Innenstädten sowie die hohen Mieten. Die Folge: noch längere Pendelwege. Allein nach Frankfurt am Main pendelten im vergangenen Jahr täglich 376.000 Menschen zur Arbeit. Das waren 14.000 mehr als im Vorjahr, wie die Bundesagentur für Arbeit berichtet.

Das Berliner Marktforschungsunternehmen Dalia hat im Februar 2017 knapp 43.000 Menschen in 52 Ländern nach ihren Lebensumständen befragt. Dabei wurde auch die Dauer des Arbeitswegs erfasst. Ergebnis: Israel ist Spitzenreiter, was die Dauer des Pendelns angeht. Dort brauchen die Menschen im Schnitt pro Tag 1:37 Stunden mit Auto, Bus oder Bahn. Am zweitlängsten, nämlich 96 Minuten, brauchen die Pendler in den Vereinigten Arabischen Emiraten. In Hongkong und Indien dauert es durchschnittlich rund 90 Minuten, obwohl der Arbeitsweg hier deutlich kürzer ist. Autos kommen hier zu den Kernzeiten nur sehr langsam voran.

Die Deutschen nehmen laut der Studie im Schnitt 60 Minuten in Kauf und sind damit immerhin neun Minuten schneller als der weltweite Durchschnitt. Am schnellsten sind die Japaner: Sie schaffen es durchschnittlich binnen 39 Minuten zur Arbeit, was unter anderem an einem effizienten Nahverkehrsnetz und ihrer Bereitschaft liegt, auch sehr volle Züge in den Stoßzeiten zu nehmen.

Eric Heymann, wie schaffen wir es, dass weniger unserer wertvollen Lebenszeit fürs Pendeln draufgeht angesichts all der Staus, Baustellen und Bahnverspätungen?

Heymann: Man könnte einiges dagegen tun. Wir könnten den Pendelverkehr verringern, wenn mehr Menschen im Home Office arbeiten würden. Der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) würde leistungsfähiger, wenn mehr darin investiert würde. Und viele Menschen würden natürlich lieber näher am Arbeitsplatz in den Städten wohnen, wenn es dort mehr Wohnungen gäbe und die Mieten niedriger wären.

Ist die Wohnungsknappheit in den Ballungszentren der Hauptgrund dafür, dass viele von uns „pendeln bis der Arzt kommt“?

Heymann: Das Bevölkerungswachstum in den Großstädten war in den vergangenen Jahren enorm. Dies hat zu Knappheiten und steigenden Preisen im innerstädtischen Wohnungsmarkt geführt. Andere sind aufgrund familiärer Verpflichtungen an einen Ort gebunden oder möchten ganz einfach auf dem Land wohnen. Nicht jeder möchte gleich woanders wohnen, bloß weil er seinen Job wechselt.

Die Umweltbilanz des Autos ist weit schlechter als diejenige von Bus und Bahn. Dennoch nutzen nur rund 16 Prozent der Deutschen Bus oder Bahn. Wird sich da in nächster Zeit etwas ändern?

Heymann: Wir haben gerade in Deutschland ein ziemlich starres Verkehrsverhalten, das stimmt schon. Wer einmal aufs Auto umgestiegen ist, der wechselt kaum wieder zurück zur Bahn. Zeit spielt dabei eine wichtige Rolle: Je weiter man vom Arbeitsort entfernt wohnt, desto größer wird in der Regel der Zeitvorteil des Autos gegenüber dem ÖPNV. Auch Bequemlichkeit zählt: Das eigene Auto bietet Flexibilität, auch wenn man mal im Stau steht. In den Innenstädten hat sich jedoch in den vergangenen Jahren einiges getan. Vor allem junge Menschen verzichten dort immer häufiger auf ein eigenes Auto und nutzen lieber öffentliche Verkehrsmittel oder das Fahrrad.

Werden künftig mehr Menschen von Zuhause arbeiten?

Heymann: Es muss noch viel passieren, damit sich das stärker etabliert. Zum einen müssen vor allem auf dem Land die Internetverbindungen schneller werden, zum anderen muss gerade auf den Führungsebenen ein Umdenken passieren. Manche Chefs denken immer noch, dass von Zuhause nicht „richtig“ gearbeitet wird. Dieses Vorurteil muss aus den Köpfen. Ich persönlich denke, im Home Office steckt viel Potenzial, gerade auch, um unseren Nahverkehr zu entlasten und die Ökobilanz zu verbessern.

Um sich dorthin zu entwickeln, muss also in den Unternehmen noch einiges geschehen. Die ökologischen Vorteile sprechen dafür, dass man nicht nur die technischen Voraussetzungen für die Arbeit von Zuhause verbessert, sondern auch über Steuererleichterungen nachdenkt.

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