
Proteine vom Fließband
Erbsen ohne Erde, Olivenöl mit KI, trinken statt kauen: Wie Unternehmen an der Ernährung der Zukunft arbeiten. Und was Klimawandel und „Consumer-Convenience“ damit zu tun haben.
Was haben Erbsen, Amaranth, Quinoa, Hanf und Okra gemeinsam? Diese Nutzpflanzen verheißen Zukunft – zumindest, wenn man Jan Bredack fragt. Der Vorstandsvorsitzende der Veganz Group AG will das Geschäftsmodell seiner börsennotierten Unternehmensgruppe deutlich ausweiten – über seine neu gegründete Tochtergesellschaft OrbiFarm.
Veganz startete 2011 als Supermarkt für vegane Produkte – im Berliner Szeneviertel Prenzlauer Berg. Nun will Bredack im industriellen Maßstab Indoor Farming betreiben. Genauer: Diese Technologie erforschen, entwickeln, patentieren, produzieren und vertreiben.
Wir wollen hochwertige Grundnahrungsmittel und Arzneimittelpflanzen überall auf der Welt produzieren, unabhängig von Klima- und Umwelteinflüssen kostengünstig und wirtschaftlich sinnvoll in einer Halle.




Proteinpflanzen sind ein Fokus von OrbiFarm: „Wir wollen hochwertige Grundnahrungsmittel und Arzneimittelpflanzen überall auf der Welt produzieren, unabhängig von Klima- und Umwelteinflüssen kostengünstig und wirtschaftlich sinnvoll in einer Halle“, sagt Bredack.
Zukunftsmarkt alternative Proteine
Bredacks Optimismus fußt zum einen auf den Ergebnissen jüngster Anbauversuche im Fraunhofer-Institut. Mit Erbsenpflanzen, die mit Hilfe einer speziellen Nährstofflösung, aber ohne Erde wachsen. Und deren Ertrag nach eigenen Angaben um „bis zu 36-mal höher als bei konventionellem Anbau“ ist.
Zum anderen setzt Bredack auf ein stark wachsendes Segment: Nach Schätzungen verschiedener Marktforschungsinstitute hatte das Geschäft mit alternativen Proteinen bereits 2024 ein Volumen zwischen 17 und 23 Milliarden Dollar erreicht – mit der Chance auf hohes Entwicklungspotenzial: Laut Future Market Insights könnte der Markt bis 2035 auf bis zu knapp 600 Milliarden Dollar geradezu explodieren.
Das Beispiel zeigt: Unternehmen aus Landwirtschaft und Nahrungsmittelindustrie arbeiten mit Hochdruck daran, dass wir uns auch in Zukunft ernähren können. Ob Proteine vom Fließband, ob trinken statt kauen, ob Quinoa statt Currywurst – wie Veganz verfolgen auch viele andere Unternehmen neue Wege.
Landmaschinenhersteller Claas etwa eröffnet seinen Kunden mit digital vernetzten Traktoren und Mähdreschern sowie automatischer Dokumentation den Weg in eine hoch leistungsfähige Präzisionslandwirtschaft. Das spanische Familienunternehmen Acesur, bekannt für seine Olivenölmarken Coosur und La Espanola, optimiert Produktionsprozess und Qualitätssicherung unter anderem mit KI-gestützter Datenanalyse. Das das Münchner Startup yfood entwickelt, produziert und vertreibt hochwertige Trinkmahlzeiten und Snacks als zeitsparende Alternative zu selbstgekochten Mahlzeiten.
Die Auslöser für diese Entwicklungen sind vielfältig:
- Die Weltbevölkerung wächst weiter stark, bis 2050 werden rund 10 Milliarden Menschen auf der Erde leben.
- Ein Drittel der von Menschen gemachten Treibhausgase entsteht rund um unsere Ernährung. Das zeigt die Emissions Database for Global Atmospheric Research (EDGAR)
- Die versteckten Kosten des weltweiten Ernährungssystems summierten sich zwischen 2016 und Frühjahr 2025 auf mehr als 138 Billionen Dollar, verursacht durch Treibhausgase, Frischwasserverbrauch, Landkonversion, Nitratemissionen, Unterernährung, Armut und ungesunde Ernährung. Diese Kosten steigen sehr schnell – Ende offen, wie der tickende Zähler der „Food System Economics Commission“ (FSEC) deutlich macht.
- Dieselbe Kommission hat berechnet, dass Erkrankungen, die auf unsere konventionelle Ernährungsindustrie zurückzuführen sind, die globale Wertschöpfung um mehr als 11 Billionen Dollar jährlich beeinträchtigen. Diese Einbuße übersteigt sogar die Summe, die die Branche zum Bruttosozialprodukt beiträgt. Ein Schwenk hin zu einer nachhaltigeren Lebensmittelproduktion könne diese Kosten mindestens halbieren.
- Zunehmende Wetterextreme wie Dürren und Überschwemmungen machen die Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen immer unberechenbarer.
- Die zur Verfügung stehenden Anbauflächen pro Person sinken.
- Veränderte Ernährungsgewohnheiten erschweren die Versorgungssicherheit mit den nachgefragten Lebensmitteln.
Herausforderungen, die zahlreiche Fragen aufwerfen:
- Wie können wir Anbaumethoden verbessern, um die Bodenqualität zu erhalten und die Biodiversität zu fördern?
- Welche Produktionsprozesse richten weniger Umweltschäden an?
- Mit welchen neuen Methoden können wir Lebensmittel effizient, nachhaltig und sozial gerecht herstellen?
- Welche Anforderungen stellen Verbraucher an Qualität, Verträglichkeit, Produktionsbedingungen, Verfügbarkeit und Kosten einer nachhaltigen und gesunden Ernährung?
Milliarden-Investitionen in ein zukunftsfähiges Ernährungssystem
Um Antworten auf diese Fragen zu finden, investieren Unternehmen, Landwirte und Regierungen weltweit Milliarden Dollar in Forschung und Entwicklung innovativer, zukunftsfähiger Produktionsmethoden und Produktneuheiten. Laut Agrarbarometer der Rentenbank wollen zwei von drei Landwirten in Deutschland 2025 gezielt investieren, vor allem in eine bessere CO₂-Bilanz, Ressourceneffizienz und Digitalisierung.
Die EU stellt zwischen 2020 und 2050 bis zu umgerechnet 90 Milliarden US Dollar für nachhaltigere, klimaangepasste Ernährungssysteme und Kreislaufwirtschaft bereit. Viele Staaten erhöhen entsprechende Budgets, Indien beispielsweise will im gleichen Zeitraum umgerechnet rund 40 Milliarden US Dollarinvestieren, China bis zu 130 Milliarden US Dollar und die USA zwischen 130 und 150 Milliarden US Dollar. Und das ist auch dringend nötig: Prognosen gehen außerdem davon aus, dass im Jahr 2050 weltweit jährlich Investitionen in Höhe von umgerechnet rund 100 Milliarden US Dollar in Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion nötig sein werden, um eine nachhaltige Ernährung weltweit sicher zu stellen.
Ernährung wird als Kriegswaffe eingesetzt.



Waffe der Weltpolitik
Und selbst in der Geopolitik spielt Ernährung eine relevante Rolle: „Sie wird als Kriegswaffe eingesetzt“, sagt Jessica Fanzo, Professorin für Klimafragen an der Columbia University in den USA. „Menschen werden in Handelskriegen, Zollstreitigkeiten oder durch Exportverbote gezielt von der Versorgung mit Lebensmitteln abgeschnitten.“ Die Folge: 40 Prozent der Weltbevölkerung – also rund 2,8 Milliarden Menschen – können sich eine gesunde Ernährung schlicht nicht leisten.
Ernähren wir uns bald nur noch vegan?
Dass sich angesichts dieser komplexen Gemengelage immer mehr Menschen sehr grundsätzliche Gedanken über die ökonomischen, gesundheitlichen und ökologischen Konsequenzen ihrer eigenen Ernährung machen – für sich und unseren Planeten – zeigt ein Blick auf eine (nicht-repräsentative) globale Umfrage innerhalb unserer Belegschaft. Für unseren Kollegen Moritz Vossel etwa gibt es in Sachen Ernährung nur eine Zukunft: vegan. „Ich wollte nicht, dass Tiere für meinen Konsum leiden.“ Verzichten müsse er deshalb auf nichts, „es gibt schließlich hervorragende Ersatzprodukte.“ Vielen unserer Kolleg*innen ist dabei auch klar: Der Schlüssel zu einer gesunden Ernährung heißt „selbst kochen“. Aber „das kostet Zeit, vom Einkaufen bis zur Zubereitung“, sagt Janine Mueller.
Wir bieten eine vollwertige und einfache Alternative für Situationen, in denen wenig Zeit ist, sich ausgewogen zu ernähren.
Auf Kund*innen wie sie setzen Benjamin Kremer und Noel Bollmann. „Gesunde Ernährung im Alltag ist nicht immer leicht“, wissen die Gründer von yfood. Und wollen mit ihrem Start-up für „Smart Food“ Abhilfe schaffen. Ihr Angebot: Eine Produktpalette aus Drinks und Shakes, Riegeln und Hot Bowls. Der Anspruch des jungen Unternehmens: „eine vollwertige und einfache Alternative für Situationen, in denen wenig Zeit ist, sich ausgewogen zu ernähren“.
Dass der Bedarf dafür weit größer ist als die anfangs anvisierten vielbeschäftigten Büroleute, merkten die Gründer schnell. Ob Arzt oder Fernfahrer – das Bedürfnis, sich ohne Aufwand ausgewogen zu ernähren, teilen viele Menschen. Weshalb das Team auch die Vermarktung angepasst hat: Nach ersten Gehversuchen mit einem Truck-Driver-Influencer und dem Fokus auf männliche Kunden setzen die Gründer inzwischen auf Massenmedien, um eine breitere Bevölkerung anzusprechen. „Wir sind jetzt eine Unisex-Marke", sagt CEO Noel Bollmann. Und im deutschen Einzelhandel fest etabliert – über Kooperationen mit REWE, Edeka, Kaufland, Rossmann und Müller. Dabei soll es aber nicht bleiben: „Unser Traum wäre es, dass wir sowohl im Supermarkt in Los Angeles als auch in einem Seven Eleven in Schanghai zu finden sind.“
Es gibt im gesamten Nahrungsmittelsektor viele Innovationen, die bald extrem wichtig werden. Die Herausforderung besteht darin, diese Technologien zu skalieren und in großem Stil in sie zu investieren.
Investieren in Innovationen ist Pflicht
Egal, ob wir über praktische, nahrhafte Flüssignahrung, KI-basierte Produktionsprozesse, Vertical Farming oder die Weiterentwicklung biologischer Dünger sprechen, ob über Deutschland, Europa, Asien oder die USA: „Es gibt im gesamten Nahrungsmittelsektor viele Innovationen, die bald extrem wichtig werden“, sagt Professor Fanzo von der Columbia University – auch mit Blick auf die Rolle der Banken. „Die Herausforderung besteht darin, diese Technologien zu skalieren und in großem Stil in sie zu investieren.“
Diese Seite wurde im Juli 2025 veröffentlicht.
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