Modernes Gebäude mit Myzel errichtet

Pilze, KI und selbstheilender Beton: die neue Bauordnung fürs Klima

Was wie Science-Fiction klingt, kommt heute schon zum Einsatz – und das nicht nur im Labor: Dieses Dossier beleuchtet, wie nachhaltiges Bauen weltweit vom CO₂-Sünder zum Hoffnungsträger werden könnte.

Wenn Philipp Misselwitz über die Zukunft des Bauens spricht, wird schnell klar: Hier geht es nicht um Detailfragen, sondern um eine globale Wende. Der Professor an der TU Berlin und Leiter der Organisation „Bauhaus Erde“ nennt den Bausektor im Interview den „Elefanten im Klimaraum“. Mit einem Anteil von etwa 40 Prozent an den globalen CO₂-Emissionen ist er der größte Verursacher von Treibhausgasen überhaupt.

Der Elefant im Klimaraum

Der Bausektor ist Klimakiller – und Hoffnungsträger zugleich. Philipp Misselwitz erklärt, wie wir mit Holz, Lehm & Co. CO₂ speichern statt ausstoßen – und warum nachhaltiges Bauen eine neue Erzählung braucht.

Alf Meyer zur Heyde

Nachhaltig bauen – aber wie?

Schritt-für-Schritt-Sanierung: Alf Meyer zur Heyde erklärt, warum nachhaltiges Bauen kein Luxus ist – es ist machbar, praktisch und oft überraschend effektiv.

Was das konkret heißt, zeigt sich dort, wo Menschen wohnen, arbeiten – und sanieren. Alf Meyer zur Heyde, Nachhaltigkeitschef der Privatkundenbank Deutschland, berichtet im Gespräch über die Chancen – und die Hürden: „Die meisten scheitern schon am Anfang. Sie wissen schlicht nicht, wo sie beginnen sollen.“

Sein Rat: ein Sanierungsfahrplan, staatlich gefördert, strukturiert und bezahlbar. „Mit 20 Prozent Aufwand erreicht man oft schon 80 Prozent Wirkung.“ Nachhaltigkeit sei kein Luxus, sondern eine Frage der richtigen Reihenfolge – und der richtigen Partner.

Mit 20 Prozent Aufwand erreicht man oft schon 80 Prozent Wirkung. Alf Meyer zur Heyde

Während Privatpersonen oft mit Förderlogik und Technik kämpfen, denkt Siemens Smart Infrastructure längst in vernetzten Systemen. Rainer Haueis, Leiter des Bereichs „Buildings“, beschreibt Gebäude als aktive Akteure, die mit Energieversorgern, Verkehr und Industrie kommunizieren.

„Die größte Auszeichnung für uns ist, wenn die Nutzer gar nicht merken, was wir im Verborgenen alles tun für Energieeffizienz und Nachhaltigkeit.“ Sensoren, künstliche Intelligenz (KI) und digitale Zwillinge helfen, den Betrieb zu optimieren – nicht nur in Büros, sondern auch in Krankenhäusern, Museen oder Flughäfen. In der Berliner Siemensstadt wird künftig sogar Abwasserwärme genutzt, um Gebäude zu heizen. „Die Einsparungen finanzieren die Maßnahme – das ist dann Win-Win-Win“, so Haueis.

Siemens Stadtwerke Stuttgart parking garage mobility hub

Siemens und Stadtwerke Stuttgart - Mobility Hub

Bauen mit Pilzen, Algen & Co.

Fünf überraschende Materialien zeigen, wie radikal anders nachhaltiges Bauen gedacht wird – biologisch, intelligent, selbstheilend. Die Zukunft beginnt im Material.

Nachhaltiges Bauen beginnt aber natürlich nicht erst beim Betrieb der Gebäude, sondern schon bei der Auswahl des Materials. Ob Pilzgeflecht, Algen, Reishülsen, transparentes Holz oder selbstheilender Beton: Die Baustoffe der Zukunft sind lebendig, intelligent und fordern unsere Vorstellungskraft heraus.

Das Projekt „Hy-Fi“ in New York etwa zeigte bereits 2014, wie sich Myzelium, also das Wurzelwerk von Pilzen, zu Ziegeln formen lässt. In Hamburg wiederum entstand mit dem BIQ-Haus die weltweit erste Algenfassade, die CO₂ bindet und Energie erzeugt. Und in den Niederlanden erforscht die TU Delft Beton, der sich durch Bakterien selbst repariert.

Wir müssen aus dem Klima-Narrativ ein Entwicklungs-Narrativ machen.Philipp Misselwitz

Was für den Laien wie Science-Fiction klingen mag, wird längst verbaut, getestet und skaliert. Allerdings: Damit die Innovationen auch im ärmeren globalen Süden zum Einsatz kommen – also dort, wo der Milliarden-Zuzug in die Städte besonders stark sein wird – bedarf es Überzeugungsarbeit: „Wir müssen aus dem Klima-Narrativ ein Entwicklungs-Narrativ machen“, sagt Professor Misselwitz – und verweist auf Projekte in Bhutan, Burkina Faso oder Indonesien, wo Bambus zum Hochleistungsbaustoff wird.

Algen

Dass nachhaltiges Bauen auch soziale Räume verändert, zeigt ein Projekt in Cornwall. Dort entstehen neue Studentenwohnheime, die nicht nur energieeffizient sind, sondern auch Biodiversität fördern. Wildblumenwiesen, gezielter Einsatz von Regenwasser und geeigneter Lebensraum für Vögel gehören zum Konzept.

Möglich macht das ein spezieller Kredit der Deutschen Bank, bei dem die Leistung im Bereich Nachhaltigkeit die Konditionen beeinflusst. ESG-Expertin Oyumaa de Jong: „Was uns beeindruckt: [der Projektentwickler für Studentenwohnheime] konzentriert sich nicht ausschließlich auf Neubauten, sondern möchte Biodiversität in seinem gesamten Portfolio erhöhen.“ 


Moorfields stairs

London, Moorfields 21

Auch wenn die Deutsche Bank selbst als Bauherrin agiert, spielt Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle. So gelten die Doppel-Türme in Frankfurt seit ihrer Renovierung von 2008 bis 2010 als eines der effizientesten Hochhäuser weltweit:

Es verbraucht 50 Prozent weniger Energie und 70 Prozent weniger Wasser – die CO₂-Emissionen gingen sogar um 90 Prozent zurück. In London entstand mit Moorfields 21 ein Neubau, der 20 Prozent seiner Fläche für artenreiche Lebensräume reserviert – und als „City of London Building of the Year“ ausgezeichnet wurde. 

Was all diese Beispiele zeigen: Nachhaltiges Bauen ist längst kein Nischenthema mehr. Es ist ein globaler Hebel für Klimaschutz, Innovation und gesellschaftlichen Wandel.

Dieses „What Next“-Dossier beschreibt, wie vielfältig die Ansätze sind – und welche Hürden es noch zu überwinden gilt.

Nachhaltige Baufinanzierung – schon seit Jahrzehnten

Seit 1968 finanziert die Deutsche Bank private Immobilien. In der Ölkrise der 70er-Jahre begann sie, Kunden beim Energiesparen zu beraten – mit Konzepten wie Solaranlagen und Wärmepumpen.

Vielen Dank für euren Input!

Wir haben unsere LinkedIn-Community gefragt, was für sie beim nachhaltigen Bauen und Wohnen am wichtigsten ist. An erster Stelle stehen Bezahlbarkeit und Machbarkeit (42 %), gefolgt von Energieeffizienz (29 %). Das Material – ob natürlich, recycelt oder sogar zirkulär – spielt für ein Drittel der Befragten eine sehr große Rolle. Vielen Dank für euren Input!

Diese Seite wurde im November 2025 veröffentlicht.

Falk Hartig

Falk Hartig

… staunt darüber, wie radikal sich Bauen gerade neu erfindet – technisch, kulturell und finanziell. Und er fragt sich, ob Gebäude bald selbst wissen, wann sie saniert werden müssen – und den Handwerker gleich mitbestellen.

Empfohlene Inhalte

Wachstum mit Verantwortung | Ausblick

Energie sparen im Netzwerk Energie sparen im Netzwerk

Smart Buildings, vernetzte Infrastruktur und intelligente Datenverknüpfung: Rainer Haueis von Siemens Smart Infrastructure zeigt, wie digitale Technik Gebäude zu autonomen Akteuren macht. 

Energie sparen im Netzwerk Gemeinsam effizienter werden

Wachstum mit Verantwortung | Videostory

Besseres Klima beim Studieren Besseres Klima beim Studieren

UPP macht das Studen­ten­leben nachhaltiger: Groß­britanniens führender Projekt­entwickler für Wohn­heime legt die Priorität auf CO₂-Fuß­ab­druck und Bio­diversität. 

Besseres Klima beim Studieren Hereinspaziert

Wachstum mit Verantwortung | Standpunkt

„Der Elefant im Klimaraum” „Der Elefant im Klimaraum”

Philipp Misselwitz hat eine Vision: Der Bausektor soll künftig das Klima schützen, statt ihm zu schaden. Wie das gehen soll, verrät er im Interview.

„Der Elefant im Klimaraum” Bauhaus Erde entdecken

What Next: Unsere Themen

Link zu Wachstum mit Verantwortung
Link zu Digitaler Umbruch
Link zu Unternehmerischer Erfolg